In den zurückliegenden Jahren gab es im Spannungsfeld von Soul und Blues viele neue Talente zu entdecken, die alle ihren Weg gegangen sind. Die wenigsten von ihnen aber warfen bereits auf der ersten Platte ein solch komplettes Bild ab wie Marcus Trummer. Dem Kanadier wird nachgesagt, er sei mit seinen erst 23 Lebensjahren ein junger Bursche mit einer verdammt alten Seele. Im Hinblick auf seine musikalische Reife mag dies zutreffen. Auf seine Vorbilder sowieso, die in der einen oder anderen Form seine eigene Musik mitgeformt haben.
»Ich habe es tatsächlich eher mit dem alten Kram«, schmunzelt der Gitarrist und Sänger. »Oder auch mit anderen alten Seelen wie Derek Trucks, den ich als Gitarristen und Menschen wirklich sehr bewundere. Viele der großen Meister habe ich als Teenager erst durch einen zeitgenössischen kennengelernt: B.B. King, Albert King, Freddie King sind alle drei über Gary Clark Jr. zu einem sehr wichtigen Einfluss und Bestandteil meines Gitarrenspiels geworden.«
Was schon deshalb bemerkenswert sei, weil es der oft gehörten Behauptung widerspricht, der Blues träte künstlerisch auf der Stelle. »Diese Wechselwirkungen durch jüngere Vertreter des Genres sind total interessant. Bei mir gab es sie auch auf der Soul-Seite meiner Musik. Soul ist überall, und wenn du zeitgenössischen Vertretern zuhörst und Feuer fängst, landest du automatisch irgendwann dort, wo dieser Sound einmal herkam: Aretha Franklin, Bill Withers, Marvin Gaye, Al Green — sie alle sind auch Teil meiner Musik und meiner Songs. Und wahrscheinlich auch meiner Stimme.«
Ein großartiges Album mit luftigen Arrangements, wunderbarer Orgel und überdies ausgezeichnet ausgearbeiteten Bläsersätzen ist dem jungen Musiker in From The Start gelungen, das ihn nicht zuletzt auf den Radar der vielen Anhänger von Warren Haynes und auch dessen Zögling Marcus King bringen sollte. Den lässig groovenden Soul-Blues-Hybriden ›Holding Out For You‹ haben wir auf der Beilagen-CD von ROCKS Nr. 103 vorgestellt; ›Hard Time‹ bringt Warren Haynes mit Wummer-Orgel, Klavier, Gospel und Stevie Wonder (mehr noch in ›Let You Down‹) zusammen — Bläser und Chöre hätten auch in der Welt der Tedeschi Trucks Band ihren Platz. Famos deutet ›Break My Fall‹ auf Etta James, während Trummers gefühlvolles Gitarrenspiel in diesem Song fast als Tribut an B.B. King gehört werden könnte.
Es ist ein ausgesprochen aufbauendes Album, das Stücke enthält, die Trummer in den zurückliegenden Jahren angesammelt hat und die seinen Weg als heranwachsender Mensch und Musiker nachzeichnen. Für die Aufnahmen, die Commoners-Gitarrist Ross Hayes Citrullo in Toronto als Produzent mitbetreute, machte der Musiker zudem zum ersten Mal die Erfahrung, im Auftrag seiner Musik reisen zu dürfen. Trummer hat sich buchstäblich aufgemacht — ein Thema, das auf seinem ersten Album auch in vielen Texten eine Rolle spielt.
»Blues ist ganz sicher der musikalische Kern meines Tuns, die Musik, die ich höre, wenn ich nicht selbst spiele, die Musik die mich begleitet und die mir einfach viel gibt. Ich bin aber ganz sicher kein Traditionalist«, gibt er zu verstehen. »Ich habe auch bestimmt nicht die Absicht, als Blues-Karikatur wahrgenommen zu werden. Ich schreibe über Themen, die ich erlebt habe. Probleme gehören auch dazu. Allerdings gefällt es mir, einen positiven, optimistischen Vibe zu transportieren und vor Augen zu halten, dass es irgendwo und irgendwie eine Lösung für jeden Mist gibt. Egal, was gerade bei dir los ist: Es wird weitergehen. Lasst uns nur die Liebe dabei nicht vergessen.«
Dieser Text stammt aus ►ROCKS Nr. 104 (01/2025).