Es passt zu dem verschrobenen Wesen von Jethro Tull und Ian Anderson, dass ausgerechnet Thick As A Brick die goldene Ära des Progressive Rock als eines der ganz großen Konzept-Werke überdauert hat. Denn eigentlich war das fünfte Studio-Album seiner Band nichts anderes als eine persiflierende Antwort auf die Artrock-Bewegung der siebziger Jahre mit ihrem Hang zu überkandidelten Themen-Platten, der sich Anderson nie wirklich zugehörig fühlte.
Nachdem bereits der erfolgreiche Vorgänger Aqualung zum „Konzept-Album“ stilisiert wurde, beschloss der singende Flötist mit einigem Kopfschütteln, nun genau das abzuliefern, was seine Klientel als Genrekonvention offenbar von ihm hören wollte. Und so dachte er sich die Geschichte des achtjährigen Genies Gerald Bostock aus, der mit einem epischen Gedicht von sich reden machte, das er auf Thick As A Brick musikalisch interpretiert — in einem einzigen überlangen Stück, das sich über beide Plattenseiten erstreckt.
Klassisch angehaucht und gleichermaßen grazil wie pompös sollte dieses Werk mit seiner absurden und pikant mit britischem Humor gewürzten Geschichte sein, das die Alben solcher Zeitgenossen wie Genesis und Yes ordentlich auf die Schippe nahm. Genial ist schon die allererste Textzeile, die der Sänger an sein Auditorium richtet und dabei gewiss nicht nur den Kinderpoeten sprechen lässt: „I really don’t mind if you sit this one out“ heißt es hier — charmanter lässt sich kaum formulieren, wie wenig es ihn scherte, was sein Publikum von ihm und seiner Musik so dachte.
Die hat es in sich und führte geradewegs dazu, dass die Welt der progressiven Rockmusik gerade Thick As A Brick besonders tief und innig ins Herz schloss. Heavy- und Folk-Rock verbinden sich in betörend anmutiger Weise mit Elementen der Klassik und des Jazzrock, was sich zudem in der opulenten Instrumentierung der Platte widerspiegelt: Neben Flöte, akustischen und elektrischen Gitarren, Bass und Schlagzeug (der neue Schlagzeuger Barrie „Barriemore“ Barlow steuerte nicht nur unorthodoxe Rhythmen bei, sondern auch ein versiertes Solo) fanden auch Hammondorgel, Klavier, Cembalo, Xylophon, Glockenspiel und Lauten, Violinen, Trompeten sowie ein komplettes Orchester in den Arrangements ihren Platz.