Judas Priest

Invincible Shield

Sony
VÖ: 2024

Mit Leidenschaft und Klasse

Was für ein Album, was für eine Statement! Fast auf den Tag genau sechs Jahre nach dem auf breiter Front bejubelten Firepower legen die Urgesteine des britischen Heavy Metal noch eine Schippe drauf: Invincible Shield strotzt nur so vor Kraft, spielerischer Leichtigkeit und einer ungebrochenen Leidenschaft für jene Musikrichtung, die Judas Priest seit ihrem Debüt Rocka Rolla vor fünfzig Jahren entscheidend geprägt haben.

Bereits das dramatische Intro von ›Panic Attack‹ baut im Turbo-Sound Spannung auf, die sich zu messerscharfen Riff-Gitarren entlädt und in gewisser Hinsicht die Richtung vorgibt für dieses tief in der Priest-Historie verankerte Album, das dennoch doch nie wie ein kalkulierter Abklatsch vergangener Glorie wirkt — und vieles in den Kontext des knallharten Painkiller stellt.

In ›The Serpent And The King‹ etwa setzt Halford sein fieses Fauchregister ein wie einst bei ›Painkiller‹ und ›All Guns Blazing‹ und verleiht der Nummer eine enorme Aggressivität, die das Gitarrendoppel Tipton/Faulkner engagiert aufgreift und nicht ganz verhindern kann, dass man hin und wieder an die rabiateren Metallica denkt. Der treibende Titelsong weckt unterschwellige Assoziationen zu ›Screaming For Vengeance‹, ehe Priest den Fuß vom Gas nehmen und sich in ›Devil In Disguise‹ mit ungemein effektiven Riffs zurück in die späten Siebziger und frühen Achtziger grooven. Halfords melodischer Gesang macht hier einen weiten Bogen um Painkiller, während Richie Faulkner ausufernd in bester Michael Schenker-Manier soliert.

›Gates Of Hell‹ startet mit einem tollen Twin-Gitarren-Einstieg, an dem auch Ghost ihre Freude gehabt hätten und geht dann mit stampfendem Riff in die Vollen: Es sind Stücke wie dieses, die einst auch Accept ihren Weg wiesen. Mit einem irgendwo zwischen Ram It Down (1988) und Painkiller (1990) angesiedelten Vibe zelebriert ›As God Is My Witness‹ exakt jenen schnellen Heavy Metal, für den die Judas Priest der späten Achtziger stehen — wieder aber mit einem aktuellen Twist.

›Trial By Fire‹ wird gewürzt von einem leicht futuristischen, beinahe progressiven Touch und einer immensen Dramatik, dem Priest in ›Escape From Reality‹ latent psychedelische Einschübe entgegenhalten. Mit wuchtvollen und ungemein federnden Riffbreitseiten schließt das Album mit ›Giants In The Sky‹ ab, das im Vergleich zu Firepower um einiges ereignisreicher und in der Produktion erheblich lebendiger klingt.

Das emotionale Finale ist ein Tribut an die Legenden der Musik, die nicht mehr unter uns weilen — und die uns aufrichten und durchs Leben begleiten. Die Zwischenpassage der Akustikgitarren ist einfach hinreißend! Dieses von Glenn Tipton, Richie Faulkner und Halford komponierte Album ist abwechslungsreich, tief in der Priest-Historie verankert und nicht nur in der Produktion erheblich lebendiger und tiefgängiger geraten als der Vorläufer. Invincible Shield macht klar: Diese Band hat noch immer viel zu sagen und ist weit davon entfernt, sich mit dem Aufkochen nostalgischer Erinnerungen abzugeben.

(9/10)

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Cover von ROCKS Nr. 100 (03/2024).