Es ist ein Szenario, das sich längst in unseren Alltag geschlichen hat, an das man sich aber nur schwer gewöhnen kann: Am 20. September vergangenen Jahres spielte Joe Bonamassa in Nashville ein Konzert im menschenleeren Ryman Auditorium. Lediglich 2.000 ausgeschnittene Papp-Fans starrten den singenden Gitarristen und seine Band aus dem Publikumsraum heraus an, während dem Konzert weltweit live als kostenpflichtigem Stream beizuwohnen war, dessen Erlös zumindest anteilig einer Hilfsorganisation zu Gute kam, die durch die Covid-Pandemie in Not geratene Musiker finanziell unterstützt.
Ein wenig verstörend war die stechende Stille, die nach jedem gespielten Song abrupt aus der aufwendig mitgefilmten Konzertillusion herausriss. Was als Zeitzeugnis eigentlich so hätte bleiben sollen, wurde für die Auswertung auf CD und DVD/Blu-ray letztlich doch noch um zugespielten Publikumsapplaus aus der Konserve ergänzt, der sich unerwartet atmosphärisch und dabei durchaus im Sinne dieses weltweit abgerufenen Stream-Events einfügt. Er entstammt explizit als solchen gekennzeichneten Film- und Tonsequenzen, die Bonamassa in Konzertsälen auf aller Welt für seine vorherigen Konzertmitschnitte zusammengetragen hatte.
Zum Genuss von Now Serving: Royal Tea Live From The Ryman zwingend notwendig war diese Ergänzung freilich nicht. Dafür sind die ausgesprochen stimmungsvollen Bilder viel zu imposant und haben verblüffender Weise etwas sehr Intimes behalten — trotz der Größe der mit Rob McNelley als zweitem Gitarristen, Bassist Michael Rhodes, Orgelmeister Reese Wynans, Schlagzeuger Greg Morrow sowie den Chorsängerinnen Jade MacRae und Dannielle DeAndrea recht weitläufig verteilten Musiker. Jimmy Hall ist zuweilen an der Harp zu hören.
Den Löwenanteil der gespielten Nummern nimmt brandneues Material des erst einen Monat nach diesem Internet-Konzert erschienenen neuen Bonamassa-Albums Royal Tea ein. Neun der zehn in den Abbey Road-Studios aufgenommenen Stücke sind hier in deutlich überlegenen Live-Fassungen zu hören, weil sie wesentlich direkter und lebendiger und mit toller Interaktion der Musiker gefangen nehmen: Schon im schnellen A-B-Vergleich der jeweiligen Fassungen von ›A Conversation With Alice‹ wird dies deutlich. Anhänger des Blues- und Classic Rock werden mit der Zunge schnalzen. Gitarren-Gourmets sowieso.