Roxy Music

The Complete Studio Recordings 1972-1982

Virgin
VÖ: 2012

Rockgeschichte zwischen allen Stühlen

1971 vom englischen Mädchenschullehrer Bryan Ferry gegründet, setzen sich Roxy Music in schrillen Glam-Outfits bequem zwischen alle Stühle und gehören nicht zuletzt deshalb zu den großen Innovatoren des Rock. Ihr Sänger, von den Beatles und französischen Chansons gleichermaßen beeinflusst, kreiert mit dem progressiven Gitarrenhexer Phil Manzanera, Blechbläser Andy Mackay und Synthie-Spezialist Brian Eno bereits auf dem von King Crimsons Texter Peter Sinfield produzierten Debüt einen völlig eigenständigen Sound, der Punk, Wave und elektronische Musik maßgeblich inspirieren soll.

Süßliche, leicht sentimental stimmende Melodien und wüste Elektronik-Soundcollagen lassen zusammen mit Ferrys souligem Gesang eine dekadente, mitunter düstere Atmosphäre entstehen. Die erreicht auf dem mit Jazz-Elementen durchsetzten Zweitwerk For Your Pleasure einen frühen Höhepunkt. Ohne den Pionier Eno, der die Band nach einem Disput mit Ferry verlässt und von Violinist Eddie Jobson (vormals Curved Air) ersetzt wird, legen Roxy Music mit den härteren, songorientierten LPs Stranded und Country Life den Fokus deutlicher auf Manzaneras Gitarre.

Nach dem unverhohlenen Flirt mit Disco-Klängen auf Siren, dem gesichtslosen Euro-Pop ihres einzigen Totalausfalls Manifesto und dem glattgebügelten Flesh And Blood, das eher durch die Interpretation des Byrds-Klassikers ›Eight Miles High‹ als mit eigenem Liedgut glänzt, wenden sich die alten Anhänger jedoch enttäuscht ab. Das kommerzielle Avalon mit Hits wie dem Titelsong oder ›More Than This‹ zielt schließlich auf ein komplett neues Publikum. Im Mai 1983 verkündet Ferry das Ende der Formation.

Die stabile Deluxe-Box enthält alle acht Studioalben als Picture-Discs in edel-glänzendem Vinyl-Replika-Format plus zwei weitere CDs mit einer Vielzahl von B-Seiten, Remixes und Live-Aufnahmen, darunter auch die wohl bekannteste Coverversion von John Lennons ›Jealous Guy‹, die es nie auf Platte geschafft hatte. Ein enorm schwer wiegendes Stück Rockgeschichte.

(7.5/10)
TEXT: MARKUS BARO

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