Der kleine Makel zuerst: Die 18-minütige Mammutkomposition ›Cygnus X-1, Book II Hemispheres‹, die eine komplette Vinyl-Seite ihrer 1978 erschienenen LP einnimmt, verheddert sich textlich zwischen griechischer Mythologie und futuristischer Dystopie. Auch musikalisch ist die ambitionierte Fortsetzung des auf dem Vorgänger A Farewell To Kings begonnenen Epos aus heutiger Sicht einige holprige Minuten zu lang geraten.
Ansonsten beenden die Kanadier ihre „progressive“ Phase auf allerhöchstem Niveau: Dass sie ihre Ideen fortan in wesentlich kompakteren Songs zu kanalisieren verstehen, spricht in dem Zusammenhang Bände. Dennoch gehört Hemispheres zu den essenziellen Göttergaben des Trios, besonders weil Gitarrist Alex Lifeson auf der Suche nach einem signifikant eigenen Sound endlich fündig geworden ist und das Zusammenspiel der Ausnahmemusiker zuweilen die Grenze zur puren Magie überschreitet.
Das komplexe, fast jazzige Instrumental ›La Villa Strangiato‹ stellt sogar den ewigen Live-Favoriten ›YYZ‹ deutlich in den Schatten. Das eingängige ›The Trees‹, das vom Krieg zwischen kanadischen Ahornbäumen und amerikanischen Eichen handelt, und der philosophisch angehauchte Rocker ›Circumstances‹ komplettieren ein Album, das für viele Anhänger noch vor 2112 oder Moving Pictures als Schlüssel zum unergründlichen Rush-Kosmos gilt.
Die Geburtstagsedition enthält den Abbey-Road-Remaster von 2015, eine Live-Aufführung vom holländischen Pinkpop Festival aus dem Jahr 1979 sowie ausführliche Begleittexte.