Sie können es noch immer. Und zwar alleine: Ohne außenstehende Songschreiber beweisen die Hardrock-Veteranen nachdrücklich, dass sie noch gehörig Gift im Stachel und zu unser aller Glück längst vergessen haben, dass sie sich vor über zehn Jahren eigentlich in den Ruhestand verabschieden wollten. Möglicherweise hat auch der Zustieg des einstigen Motörhead-Schlagwerkers Mickey Dee bewirkt, dass hier niemand auf Reserve läuft: Rock Believer klingt deutlich lebendiger und ruppiger als die nicht unbedingt schlechten, zuweilen aber arg steril anmutenden Vorgänger Return To Forever (2015) und Sting In The Tail (2010).
Ob Rückgriff auf Liegengebliebenes oder gänzlich neu geschaffen: Die Hannoveraner entwickeln auf Rock Believer einen spielfreudigen Drang wie lange nicht. Schon der kernige Einstieg ›Gas In The Tank‹ gemahnt spürbar an die glorreiche Hardrock-Vergangenheit der Scorpions — der Reggae-Vibe von ›Shining Of Your Soul‹ lässt zwangsläufig an ›Is There Anybody There‹ von Lovedrive (1979) denken. ›Peacemaker‹ ist eine packende Symbiose aus vertrauter Melodik und modernen Heavy-Gitarren. Im stampfend-schleppenden ›Seventh Sun‹ guckt ›China White‹ (Blackout, 1982) um die Ecke und auch im folgenden ›Hot And Cold‹ ist die ruhmreiche Achtziger-Phase der Band derart präsent, dass es scheint, dies sei nun das seinerzeit vollmundig angekündigte „Retro“-Album, das Return To Forever letztendlich nicht geworden ist.
Klaus Meines Stimme scheint zudem einfach nicht zu altern, kräftig und dynamisch in den Rockern wie auch in der obligatorischen Ballade ›When You Know (Where You Come From)‹, die ein unerwartet konsistentes Album beschließt, das irgendwo zwischen und im Geiste von Blackout, Crazy World und ein bisschen Unbreakable große Freude bereitet.