Allman Brothers Band

Nachruf auf Butch Trucks

Butch Trucks ist tot. Das Gründungmitglied der Allman Brothers Band starb am 24. Januar in West Palm Beach, Florida.

TEXT: DANIEL BÖHM |FOTO: Kirk West

Der Schlagzeuger wurde 69 Jahre alt. Trucks hat sich selbst erschossen, wie ROCKS aus dem unmittelbaren Bandumfeld bestätigt wurde. Er sei in keiner Weise depressiv gewesen. Als Hintergrund werden finanzielle Nöte vermutet.

Die Nachricht von dem überraschenden Tod des Musikers hat tiefe Bestürzung ausgelöst. Seit einem halben Jahrhundert gilt Trucks als eine der zentralen Persönlichkeiten in der improvisationsfreudigen Jam-Rock-Szene Amerikas. »Ich bin völlig erschüttert«, erklärt Gregg Allman. »Ich habe einen weiteren Bruder verloren. Es lässt sich nicht annähernd in Worten ausdrücken, wie sehr das schmerzt. Butch und ich kennen uns seit wir Teenager waren, 45 Jahre lang sind wir Bandkollegen und Freunde gewesen. Er war ein großartiger Mensch und ein großartiger Schlagzeuger und ich werde ihn wahnsinnig vermissen. Ruhe in Frieden, Bruder Butch.«

Auch Warren Haynes, langjähriger Gitarrist der Allman Brothers Band, äußert sich betroffen. »Heute ist ein trauriger Tag. Wir haben einen Bruder verloren und die Musikwelt einen großartigen, innovativen Schlagzeuger. Heute ist ein Stück Rockgeschichte gestorben. Ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Ich fühle mich geehrt, dass ich 25 Jahre meines Lebens mit Butch teilen und mit ihm Musik spielen durfte. Butch war als Schlagzeuger und als Mensch einzigartig. Er gehörte zu der langsam aussterbenden Art von Musikern, die sich bedingungslos der Musik verschrieben haben. Er hat ihr mit einem Ehrgefühl gedient wie ein Soldat.

In jedes Lied, das er gespielt hat, hat er 110% seines Selbst eingebracht. Er war der Lou Gehrig der Rock-Drummer. Viele Male habe ich miterlebt, wie er krank oder verletzt gespielt hat. In einem Zustand, in dem die meisten anderen Menschen wohl kapituliert hätten. Nicht Butch. Selbst in diesen Momenten hat er mit aller Hingabe weitergespielt, bis kurz vor den Kollaps. Und er war so stolz darauf, dass er zumindest bis zu unseren letzten Auftritten im März 2014 das einzige Mitglied der Allman Brothers Band gewesen ist, das niemals auch nur eine einzige Show verpasst hatte. Er sah seine Lebensaufgabe darin, der Musik zu dienen. Und wie er ihr gedient hat! Butch hatte enorme Ehrfurcht vor der Musik der Allmans, jeder einzelne Auftritt war für ihn von allergrößter Wichtigkeit und Bedeutung. Wir vermissen dich, Butchie.«

Geboren wurde Butch Trucks am 11. Mai 1947 als Claude Hudson Trucks in Jacksonville, Florida. Er entdeckt das Schlagzeug für sich und spielt in mehreren Combos, bis er 1969 auf die Musiker trifft, mit denen er Geschichte schreiben wird: Gemeinsam mit dem singenden Organisten Gregg Allman, dessen Bruder Duane und Dickey Betts als visionäres Gitarrentandem gründet er die Allman Brothers Band — ebenfalls dabei sind der virtuose Bassisten Berry Oakley sowie der leidenschaftliche Jazz-Drummer Jai Johanny "Jaimoe" Johanson, mit dem Trucks das Bandformat mit Doppel-Schlagzeug populär macht.

Noch im gleichen Jahr entsteht das womöglich beste LP-Debüt einer progressiven amerikanischen Bluesrock-Band überhaupt: The Allman Brothers Band ist durchtränkt von Southern-Soul, durchzogen von messerscharfen Gitarrenimprovisationen und jammernder Hammond, zuweilen moderat psychedelisch und mit einer grenzenlosen Spielfreude, die sich an vielen Stellen an dem Freigeist und der Kommunikation des Jazz orientiert — Miles Davis (Kind Of Blue) und John Coltrane (My Favorite Things) haben es vorgemacht. Idlewild South gerät 1970 filigraner; die Allman Brothers Band wird zu den führenden Architekten der improvisationslastigen Rock-Musik.

1971 verunglückt Duane Allman bei einem Motorradunfall tödlich. Ein Ersatz kommt für die Gruppe nicht Frage: Brothers And Sisters (1973) ist die Platte von Dickey Betts, auf der er seine Vorliebe für Country offensiv zur Schau stellt. Als sie erscheint, ist auch Oakley nicht mehr unter ihnen: Nahezu ein Jahr nach Duane Allman ist der Bassist auf ähnliche Weise ums Leben gekommen.

Es folgen unstete Jahre, erst Seven Turns (1990) und Shade Of Two Worlds rehabilitieren die Allman Brothers Band als Giganten des Jam-Rock- und Southern-Blues. Noch besser klingen sie 2003 auf ihrer letzten Platte Hittin’ The Note, auf der Slide-Spezialist Derek Trucks nun auch im Studio den Posten von Dickey Betts übernimmt und mit Co-Gitarrist Warren Haynes verzahnt: Er ist der Neffe von Butch Trucks.

Mit Ausnahme von Gregg Allman war Butch Trucks bis zu ihrer Auflösung im Jahr 2014 die einzige Konstante der Allman Brothers Band. Auch während der Atempausen der Allmans blieb Trucks immer musikalisch umtriebig, tobte sich mit dem prominent besetzten Jam-Projekt Frogwings aus, spielte mit weiteren Mitgliedern der Allman Brothers Band mit Les Brers und gründete die The Freight Train Band, mit der er bis zuletzt auftrat.

 

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