Dana Fuchs

Der Bauch weiß es besser

Auf Love Lives On spürt Dana Fuchs ihren Wurzeln nach. Pulsierender Blues trifft auf den Herzschlag des Memphis Soul — und nicht zuletzt auf die enorme Stimmgewalt der New Yorker Sängerin.

Das fröhliche Gekreische eines Kleinkinds ist backstage in einem Club eher selten zu hören. Bei Begegnungen mit Dana Fuchs ist das neuerdings anders. Beim Interview mit der Blues- und Soul-Sängerin sind ein Kindermädchen und eben auch Fuchs anderthalbjähriger Sohn anwesend: Er sitzt — größtenteils ruhig — auf dem Schoß seiner Mama.

Schnell weicht das Image der Verführerin, das Fuchs in ihrer Rolle als Sexy Sadie in dem Musikfilm-Drama Across The Universe (mit haufenweise Beatles-Liedern und Miniauftritten von Bono, Joe Cocker oder Salma Hayek) verkörperte, der Realität der fürsorglichen Mutter. Die neue Verantwortung hat die in Florida aufgewachsene Musikerin inzwischen gut im Griff.

»Zunächst wusste ich nicht, ob ich jemals wieder touren würde. Das Baby war nicht gerade geplant. Aber er ist das größte Geschenk überhaupt«, sagt sie und streichelt ihrem Sohnemann zärtlich über den Kopf. Gut sechs Monate nach dessen Geburt im Sommer 2016 begann sie, mit ihrem langjährigen Songwriting-Partner Jon Diamond Songs für ein neues Album zu schreiben. Eine richtige Konzerttour würde babybedingt warten müssen; die Platte hingegen war ein erreichbares Ziel.



Fuchs wird Anfang des Jahrzehnts für die Musical-Bühne entdeckt: Im Off-Broadway-Stück Love, Janis begeistert sie, weil die Power-Sängerin genau die dunkle, raue Stimme hat, die zur Titelrolle sein muss. Auch wenn neben Janis Joplin vor allem Etta James und Aretha Franklin zu ihren Idolen gehören, habe sie schon immer Männerstimmen bevorzugt, lacht sie und schwärmt von Buddy Guy, Bobby Bland, Robert Plant und Otis Redding.

Mit ihrem neuen Album wollte die 1976 geborene Musikerin, die seit vielen Jahren in New York lebt und arbeitet, zurück zu ihren Wurzeln im Süden der USA. Denn hier ist sie als jüngstes von sechs Kindern aufgewachsen: Mitten in einem verschlafenen Städtchen in Florida. »Ich dachte an meine große Helden wie Otis Redding, die mich zum Sänger-Beruf inspiriert haben. Oder an Johnny Cash, den mein Vater sehr bewundert hat. Was lag näher, als nach Memphis zu gehen — dorthin, wo sie ihre besten Platten gemacht haben?«

Das Vorhaben scheint die nachdenkliche 42-Jährige ungewöhnlich fröhlich gestimmt zu haben. Nachdem es auf ihren bisherigen Alben oft um die Verarbeitung von Schicksalsschlägen oder den Kampf mit den eigenen Dämonen ging, bietet Love Lives On geradezu versöhnliche Lieder. Bei den Studiosessions inmitten von Memphis trafen gleichwohl Welten aufeinander: Die Zusammenarbeit mit Produzent Kevin Houston (North Mississippi Allstars, Samantha Fish) sowie mit Haudegen des Memphis Soul wie Charles Hodges oder Steve Potts soll insgesamt sehr harmonisch verlaufen sein.



Dabei sorgten Fuchs, Diamond und Bassist Jack Daley, allesamt aus dem hektischen Norden angereist, bewusst für eine gewisse Spannung im Studio. »Ich bin vom Typ her eher die Cholerikerin, und das wird immer so bleiben«, erklärt Fuchs. »Auch wenn Love Lives On eine traditionelle Memphis Soul-Platte ist — sie sollte als das Werk einer New Yorker Sängerin erkennbar sein.«

Nach einer bitteren Erfahrung hat sie gelernt, ihrer Intuition zu vertrauen. Die gesamten Einkünfte aus ihrer Filmrolle in Across The Universe gab Fuchs für die Aufnahme einer Platte aus, die letztlich nie erscheinen sollte. »Ich hatte einen renommierten Produzenten engagiert und ihm blind vertraut. Ich dachte, er kennt sich aus, das wird schon werden. So habe ich gelernt, die Kontrolle niemals ganz aus der Hand zu geben. Offen bleiben, ja — aber wenn es drauf ankommt, immer auf den eigenen Bauch hören.«


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