Aber geschenkt, denn davon abgesehen hört man schon in diesen ersten Minuten: Deep Purple bleiben auch dann Deep Purple, wenn nun anstelle von Steve Morse Simon McBride die Gitarre bedient. Denn es ist alles da, was es braucht: der fette Klang, den mit den zwei Lead-Instrumenten eben nur diese Band so erzeugen kann.
Selbstverständlich hält sich auch McBride in den melodischen Bestandteilen der Gitarrensoli an die Linien, die weiland Ritchie Blackmore vorgegeben hat. Dort allerdings, wo er sich alle Freiheiten nehmen kann, wirkt sein Spiel weniger leichtfüßig als das seines Vorgängers Steve Morse. Und das mag jeder im Publikum individuell für sich selbst bewerten.
Der Originalaufnahme nahe ist der bewährte Konzertklassiker ›Pictures Of Home‹, gefolgt von ›No Need To Shout‹ und ›Nothing At All‹ — den einzigen Stücken von Whoosh! (2020), die es ins Programm geschafft haben. Hier sitzt Gillans Stimme genau richtig und verbreitet jene Emotionalität und Wärme, die den Songs und auch ihren Textinhalten angemessen ist.
Bemerkenswert ist die ansprechende optische Umsetzung auf drei Videowänden, bei der immer wieder beeindruckende — aber nie überladene — Bilder im Wechsel mit den Nahaufnahmen der hart arbeitenden Musiker gezeigt werden. Diesbezüglich sind die Herren, denen man ihr Alter überdeutlich ansieht, vollkommen uneitel.
Im Weiteren setzt die Band auf Bewährtes. Zählt man ›When A Blind Man Cries‹ mit, spielen sie ein halbes Dutzend Stücke von Machine Head. Wobei Gillans Interpretation dieses Songs zum Niederknien ist: da wringt er jeden Ton bis in den letzten Winkel emotionaler Tiefe aus und Don Airey spendiert ein extra Orgelsolo.
Warum vom hervorragenden Now What?! ausgerechnet das pompös-nichtssagende ›Uncommon Man‹ im Programm ist, weiß allein die Band, und McBride macht es mit seinem überlangen, ziellos-lärmigen Intro auch nicht besser. Überzeugend dagegen wie immer ›Perfect Strangers‹, das nichts an Wucht und Brillanz verloren hat.
Gillan meistert es souverän, während McBride in den Strophen den Mittelweg zwischen Blackmores kompletter Arbeitsverweigerung und den Space-Klängen von Steve Morse sucht, indem er einfach ein bisschen heavier spielt, und das steht dem Song gut. Auch in der Zugabe geht die Band auf Nummer sicher: Nichts vom Cover-Album, dafür ›Hush‹ mit einer schönen, ausgedehnten Gitarre-Orgel-Jam-Orgie und ›Black Night‹. Kein überragendes Konzert, aber ein solider Einstand der neuen Besetzung.
Dieser Text stammt aus ROCKS Nr. 93 (02/2023).