So sehr sich Mötley Crüe heute mühen, in der Manege ihres Reunion-Theaters noch das letzte Bisschen verbliebene Würde zu verlieren: Wenigstens drei ihrer zwischen 1981 und 1989 herausgebrachten Alben haben so viel Relevanz und auch Substanz behalten, dass ihnen selbst ihre Erschaffer keinen Schaden mehr zufügen können. Dr. Feelgood entstand Ende der Achtziger als finales Werk vor dem ersten großen Zerwürfnis in der Originalbesetzung mit Sänger Vince Neil, Gitarrist Mick Mars, Bassist Nikki Sixx und Schlagzeuger Tommy Lee. Die beiden anderen stammen aus der Frühphase der gerade in dieser Zeit durchaus einflussreichen US-Truppe. Drei Tage benötigten Mötley Crüe zum Einrauschen ihres Debüts, das eine Aura von charmantem Dilettantismus und skrupelloser Abgeklärtheit umgibt. Musikalisch wirkt Too Fast For Love früh-metallisch ausgehärtet, ist aufgeladen mit rohem Punkrock (Sex Pistols) und dennoch im Glam der Siebziger (The Sweet) verwurzelt: ungestümer klangen die Amerikaner nie wieder. Bedrohlicher hingegen schon. Das nachfolgende Shout At The Devil (1983) führte geordneter und auch metallischer zum Durchbruch und hat eine ganze Reihe ikonischer Heavy-Riffs in den Rillen, die im gesamtem Jahrzehnt widerhallten. ›Looks That Kill‹ ist frech geklaut von Dokkens ›Young Girls‹ (1981) und das Pendant zu ›Live Wire‹ vom Erstling; die meisten der übrigen Stücke wie ›Bastard‹, ›Red Hot‹, ›Knock ’Em Dead Kid‹ und auch das lärmende Beatles-Cover ›Helter Skelter‹ ziehen kaltschnäuzig mit.
170 Euro gilt es für die als „Deluxe-Box“ deklarierte Plunderkiste zu berappen, die in der Bonus-Abteilung mit sieben meist hinlänglich bekannten Demo- und Vorproduktionsaufnahmen aufwartet. Auf CD wie zusätzlich auch auf Schallplatte mit dem Titel Shout At The Demos & Rarities. Dazu gibt es die Kassetten-Edition des Studio-Albums, zwei Vinyl-Singles und nützliche Accessoires wie ein Felltäschchen, Kerzenhalter, vier Pseudo-Tarotkarten mit den Musikern drauf, einen 7"-Single-Adapter in Form eines Pentagramms sowie Kunstdrucke des Albumcovers. Wer gerne etwas über die Entstehungsgeschichte dieser Scheibe erfahren möchte, kann es mit dem beiliegenden Séance-Board versuchen: Die 1985 verstorbene Urgroßmutter des einstigen Betreibers der Cherokee Studios in Hollywood hat manch erhellende Anekdote parat.
Album: 9