The Hard Circle, Pott Out Festival

Sechs im harten Kreis

Nachdem 2023 erstmals das Rock Out in der Schwabenhalle zu Augsburg stattfand, erfreut sich das renommierte Karlsruher Winter-Festival Knock Out nun auch eines Ablegers im Ruhrgebiet: Das Pott Out ist fortan im RuhrCongress in Bochum beheimatet und bildet 2024 den Auftakt zu der nunmehr The Hard Circle getauften Konzert-Reihe.

Als Erste stehen, ob der frühen Spielzeit etwas überraschend, bereits um 17 Uhr Axxis auf der Bühne. Die deutschen Hardrock-Veteranen beenden ihre Tour zum 35-jährigen Bandjubiläum; es sind außerdem die letzten Auftritte mit Keyboarder Harry Oellers. Das Heimspiel — die Band-Zentrale Lünen liegt nur rund 25 Kilometer Luftlinie entfernt — findet in gut gefüllter Halle statt; besonders die unverwüstlichen Debüt-Klassiker ›Living In A World‹ und ›Kingdom Of The Night‹ (Kingdom Of The Night) liefern einen ersten Stimmungshöhepunkt; ebenso die immer wieder amüsanten Ansagen von Frontmann Bernhard Weiß, der hörbar mit einer Erkältung zu kämpfen hat.

Wen die teilweise massiven Chorspuren bei den deutschen Hardrockern schon gestört haben, wird bei Dynazty erst recht nicht glücklich. Seit jeher pumpen die Schweden ihren Sound nicht nur im Studio mit vornehmlich modernen Synthesizerklängen auf, die zum Leidwesen von Live-Puristen vom Band kommen. Einen engagierten, wenngleich manchmal etwas kalkulierten Auftritt legt der Fünfer dennoch hin, bei dem gleich drei Nummern des im Februar erscheinenden Game Of Faces ihre Live-Premiere feiern.

H.E.A.T entstammen demselben Land und der gleichen Altersklasse, interpretieren ihren Hardrock aber entschieden traditionsbewusster als Dynazty. Eine Schwerpunktsetzung, die beim Ruhrpott-Publikum erwartungsgemäß gut ankommt: Angeführt vom stilecht in Spandex herumtigernden Kenny Leckremo sorgen die Skandinavier vor allem in der vorderen Hälfte des Auditoriums für Begeisterungsausbrüche.

Noch länger lassen im heutigen Billing nur Gamma Ray auf neues Material warten. Ganze zehn Jahre sind ins Land gezogen, seit die Formation um den mittlerweile wieder mit Helloween sehr beschäftigten und nur noch zeitweise singenden Gitarristen Kai Hansen zuletzt ein Album veröffentlichte; selbst die letzten Konzerte auf deutschem Boden sind eine halbe Dekade her. Die Wiedersehensfreude ist also spürbar, und die Hamburger unterstützen dies mit einer bunt gemischten Setliste. Bis auf Power Plant (1999) spielen sie von jedem Neunziger-Album mindestens einen Song — das große Land Of The Free (1995) ist mit dem Titeltrack und ›Rebellion In Dreamland‹ gleich doppelt vertreten. Hinzu kommen ›Dethrone Tyranny‹ (No World Order!, 2001), ›Empathy‹ (To The Metal, 2011) und ›Master Of Confusion‹ (Empire Of The Undead, 2014). Interessant ist immer noch die Arbeitsteilung zwischen Hansen und Sänger Frank Beck: Letzterer übernimmt zwar viele Lead-Anteile, die Einsätze des Bandkopfes sind aber so verteilt, dass dessen charakteristische Stimme immer dann zu hören ist, wenn man sie auch am meisten erwartet.

Mit der großen Kelle teilen im Anschluss Kissin' Dynamite aus. Ihr zweistöckiges Bühnenbild steht hinsichtlich Ausmaß und Inszenierung mittels eingebauter Lichtelemente ganz im Zeichen des Bandmottos „Bring Back Stadium Rock“. Und die noch immer jungen, aber eben auch ungemein erfahrenen Schwaben wissen die Möglichkeiten dieses Aufbaus effektiv zu nutzen: Immer wieder klettern die Instrumentalisten und Frontmann Hannes Braun die Treppen hinauf, um dort in bester Rockstar-Manier zu posen; für ›I Will Be King‹ (Money, Sex & Power, 2012) räkelt sich Braun auch mal mit rotem Mantel und Zepter im eigens platzierten Thron. Glücklicherweise untermauern sie diese großen Gesten auch mit musikalischer Qualität, der man allenfalls die beinahe überperfekten Background-Chöre ankreiden könnte.

Bestens vorgewärmt erwartet das Publikum um kurz nach halb zwölf den Auftritt des Headliners. Und Blind Guardian reiten die sich aufbauende Euphorie-Welle wenig überraschend mit Bravour. Dabei verlassen sich die Krefelder vornehmlich auf die vielen Klassiker, die sie im Laufe ihrer beinahe vierzigjährigen Geschichte geschrieben haben: Die Melodien von Gassenhauern wie ›Nightfall‹, ›Time Stands Still (At The Iron Hill)‹ (beide Nightfall In Middle-Earth, 1998), ›Valhalla‹ (Follow The Blind, 1989) oder dem unzerstörbaren Massenchor ›The Bards Song – In The Forest‹ (Somewhere Far Beyond, 1992) kann wohl jeder Metal-Fan reflexartig mitsingen. Diesem Jahrtausend entstammen nur die beiden Songs des nach wie vor aktuellen The God Machine (2022): ›Blood Of The Elves‹ und ›Violent Shadows‹ fügen sich bestens in dieses geradlinige wie mitreißende Set ein. Das abschließend allenthalben lauthals mitgebrüllte ›Majesty‹ beschließt eine im Großen und Ganzen runde erste Ausgabe des Pott Out Festivals; eine zweite ist bereits angekündigt. Hoffentlich planen die Organisatoren dann etwas mehr mit den lokalen Begebenheiten: Nach Veranstaltungsende fahren am RuhrCongress nämlich keine Busse und Bahnen mehr; jene ohne Privat-PKW müssen also wahlweise die Veranstaltung früher verlassen, eine der wenigen Taxen erwischen oder den knapp halbstündigen Fußmarsch zum Hauptbahnhof antreten.

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Cover von ROCKS Nr. 106 (03/2025).