Kaum dass im dichten Nebel die Bühne unter einer ehrfurchtgebietenden Batterie bunter Scheinwerfer erkennbar wird, mähen Queen ihr Auditorium mit einem entfesselten ›We Will Rock You‹ geradezu um — und lassen das Publikum mit einem nicht weniger rasanten ›Let Me Entertain You‹ unmissverständlich wissen, dass sie diesen Auftrag ausgesprochen ernst nehmen. Einen Monat nach dem Ende ihrer Südamerika-Tournee zu The Game strotzen Queen vor Selbstbewusstsein, Präzision und Power, mit der sie ihre Songs vortragen; selbst der sonst so zurückhaltende John Deacon zeigt ständig tänzelnd eine ungewohnte Seite. Das eigentliche Sahnehäubchen aber ist Freddie Mercurys schlicht überirdische Gesangsperformance, deren Ausdruck, Kraft und Beherrschung selbst diejenigen ehrfürchtig verstummen lässt, die sich gerne über das verwegen knappe Outfit aus weißen Boxershorts, Baseball-Cap und sonst nichts das Maul zerrissen hätten, in dem Mercury das Show-Finale bestreitet.
Das aufwendig im 35mm-Kinofilmformat mitgeschnittene Queen Rock Montreal zeigt die Band das letzte Mal zu viert auf der Bühne; fortan ließ sie sich live von einem zusätzlichen Keyboarder unterstützen. Disco-Elemente (Hot Space, 1982) und opulente Pop-Eskapaden (A Kind Of Magic, 1986) spielen bei diesem Spektakel im November 1981 noch keine Rolle. Hier wärmt der organische Klang des Steinway-Konzertflügels, an dem Freddie Mercury immer wieder Platz nimmt, um in Abfolge mit Kante versetzte Glanzstücke wie ›Somebody To Love‹ zu intonieren, das verspielte ›Killer Queen‹ und Roger Taylors hinter seinen Drums gesungene Liebeserklärung an sein Automobil zu untermalen oder die psychedelische Provokation ›Get Down Make Love‹ einzuleiten, bevor er Brian May den Platz für ein furioses ›Save Me‹ überlässt. Das sorgt für abwechslungsreiche Dynamik und produziert zugleich tolle Bilder. In einem wilden Ritt zeigen die Briten, wie souverän sie die neueren Sounds und Beats von The Game (extrem heiß: ›Dragon Attack‹) mit Hardrock-Gassenhauern der Sorte ›Now I’m Here‹ oder ›Tie Your Mother Down‹ zu verbinden wissen.
So überzeugend diese Aufnahmen auf der erst 2007 erschienenen DVD sind, so unglücklich war die Band bis dahin mit dem, was ursprünglich ausschließlich für die Kinoaufführung unter dem Titel Queen — We Will Rock You (1983) produziert wurde und ohne ihren Segen auch als Kaufvideo erschien. Queen Rock Montreal hat alle Ton- und Bildfehler beseitigt, die beim Zusammenschnitt der beiden Auftritte vom 24. und 25. November 1981 vor jeweils ausverkauftem Haus entstanden und ein Konzertdokument erschaffen, das in perfekten Schnitten einen einheitlich wirkenden und vor allem fabelhaften Auftritt von Superstars zeigt, die sich diese Bezeichnung aufgrund ihres Könnens, ihrer Hingabe und ihrer Professionalität verdient haben.
Dieser Text stammt aus ► ROCKS Nr. 85 (06/2021).