Ihr selbstbetiteltes und 1972 erschienenes Debüt ist fraglos eine der originellsten Platten der siebziger Jahre, was dem 2012 im Alter von 63 Jahren verstorbenen Gitarristen und Bandgründer zunächst allerhöchstens künstlerische Befriedigung verschafft. Sie sei erst im Laufe der Jahre zum Kult-Hit geworden, erklärt Larry „Rhino“ Reinhardt in einem seiner letzten Interviews wenige Wochen vor seinem Tod. Dafür werde sie regelmäßig von neuen Generationen entdeckt. »Die Tantiemen-Schecks sind heute um einiges höher, als sie es damals waren.«
Sein Einstieg bei Iron Butterfly 1970 bringt den Stein ins Rollen, denn als sich die Heavy-Psychedelic-Rocker im Mai des folgenden Jahres auflösen, haben seine Pläne für eine eigene Formation längst konkrete Formen angenommen — und die beinhalten auch deren Bassisten Lee Dorman sowie Rod Evans, den arbeitslosen Sänger der ersten Deep Purple-Inkarnation. Trommler Bobby Caldwell spannt er dem weißen Blues-Gitarristen Johnny Winter nach einem Auftritt im Santa Monica Civic Auditorium aus. Die Bewerber für den Posten des Keyboarders scheitern hingegen an Reinhardts hohen Qualitätsanforderungen. Der schließlich Außerwählte Lewie Gold verlässt die Band vor den Aufnahmen zur ersten LP bereits wieder, so übernimmt kurzerhand Caldwell auch die Hammondorgel. Handelseinig wird der schnell als Supergruppe gepriesene Vierer mit dem aufstrebenden, in Macon, Georgia beheimateten Southern-Rock-Label Capricorn, das sich mit den ersten Platten der Allman Brothers Band einen Namen gemacht hatte.
Dass die Songs ihres Einstands in Gänze ausgerechnete von Sänger Evans und Trommler Caldwell verfasst sein sollen, wie es das Cover glauben machen will, ist eine Notlüge, die Reinhardt viele Jahre später als solche entlarvt. »Natürlich war das nicht der Fall. Das war eine rechtliche Entscheidung, denn Lee und ich standen noch beim Verlag von Iron Butterfly unter Vertrag, und der wollte satte achtzig Prozent der Tantiemen einsacken. Uns blieb gar nichts anderes übrig, als zu tricksen. In Wahrheit haben wir alle Einnahmen brüderlich unter uns Vieren geteilt.«
Die Aufnahmen finden im Sunset Sound Recorders statt, das direkt am Sunset Strip in Los Angeles liegt. Der Verzicht auf einen versierten Produzenten kommt das Quartett jedoch teuer zu stehen. »Man hatte uns einen komplett unerfahrenen Toningenieur zur Seite gestellt. Das Resultat klang auf der hauseigenen Soundanlage hervorragend, aber sonst überall fürchterlich. Die Stones hatten dort Songs von Exile On Main Street abgemischt und exakt die gleichen Probleme gehabt. Uns blieb nichts anderes übrig, als unsere Plattenfirma anzuhauen, im Record Plant eine neue Abmischung vornehmen zu lassen, worüber sie alles andere als begeistert waren. Uns hat das zusätzlichen Stress verursacht, weil wir tagsüber für die anstehende Tour proben und nachts an der Fertigstellung der Platte arbeiten mussten.«
Und die droht ein teurer Flop zu werden. In den US-Charts bleibt Captain Beyond trotz der aufwendigen 3-D-Hülle auf einem enttäuschenden 134. Platz hängen. An der hohen Qualität der im Juli 1972 veröffentlichten Scheibe ändert das hingegen nichts. Ähnlich wie später Pink Floyds Dark Side Of The Moon fließen auch hier die Stücke sanft ineinander, was der Scheibe Bewegung und dynamische Kraft verleiht. Die eklektische, in viele Teilabschnitte gegliederte Space-Rock-Oper vereint unterschiedliche Musikstile — ein einzigartig visionäres Meisterstück, das sich auf Led Zeppelin, Budgie oder Johnny Winter in seiner Heavy-Rock-Phase ebenso beruft wie auf Cream, Wishbone Ash, Uriah Heep, die Allman Brothers (›Raging River Of Fear‹) oder gar die frühen Yes (›Thousand Days Of Yesterdays‹). Ein ausgefallener Mix aus Psychedelic, Hardrock, Prog und Jazz und definitiv weit seiner Zeit voraus.
Dass ihr Sound erst viele Jahre später verstanden werden würde, erklärt Reinhardt auch mit der mangelnden Unterstützung ihrer Plattenfirma. »Anstatt uns anzuhalten, weiterhin eigenständig zu agieren und uns weiterzuentwickeln, haben sie gefordert, wir sollten doch bitte mehr wie die Allman Brothers klingen, die mittlerweile großen Erfolg hatten. Als wir das nicht wollten, ist ihr Enthusiasmus schnell erlahmt.«
Daher verlässt Caldwell die Formation, um sich dem Bluesrocker Rick Derringer anzuschließen und wird auf dem 1973 erschienenen Zweitwerk von Marty Rodriguez ersetzt. Orgelspieler Reese Wynans stockt die Truppe zum Quintett auf. Sufficiently Breathless entfernt sich zugunsten einer mit filigranen Gitarrenarrangements ausgestatteten Heavy-Rock-Interpretation der Allmans mit wunderbaren Latin-Jazz- und Santana-Anspielungen ein Stück weit vom Stil des harten und stark auf Atmosphäre bauenden Debüts.
Beachtung erfährt aber auch diese Veröffentlichung nicht. Gegen Ende des Jahres lösen sich Captain Beyond auf, nur um drei Jahre später einen neuen Anlauf zu nehmen, bei dem Willy Daffern, der spätere Vokalist von Gary Moores G-Force, Rod Evans ersetzt. Für das vergleichsweise einfach gestrickte Hardrock-Album Dawn Explosion kehrt Caldwell 1977 zurück, eine weitere Reunion findet 1998 statt, doch fünf Jahre später endet ihre Geschichte mit der Krebsdiagnose des Gitarristen. Zuvor war noch das 1973 mitgeschnittene Live-Dokument Far Beyond A Distant Sun – Live in Arlington, Texas erschienen.
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