Dave Mattews Band

Auf der Sonnenseite

In den USA gehört die Dave Matthews Band zu den Superstars der Jam-Rock-Szene, lockt dort regelmäßig bis zu 20.000 Menschen in die Arenen oder auf den „Great Lawn“ des Central Park im Herzen von New York. In Deutschland tourte das mittlerweile siebenköpfige Ensemble zuletzt 2015 und füllt heuer immerhin die ehemalige Philipshalle im Handumdrehen.

TEXT: AGI RASCHKA

Düsseldorf, Mitsubishi-Electric-Halle: In den USA gehört die Dave Matthews Band zu den Superstars der Jam-Rock-Szene, lockt dort regelmäßig bis zu 20.000 Menschen in die Arenen oder auf den „Great Lawn“ des Central Park im Herzen von New York. In Deutschland tourte das mittlerweile siebenköpfige Ensemble zuletzt 2015 und füllt heuer immerhin die ehemalige Philipshalle im Handumdrehen.

Wer sich vorab mit der Setliste des europäischen Tour-Auftakts in München vertraut gemacht hat, wird in Düsseldorf bereits mit der Einstiegsnummer ›One Sweet World‹ doppelt überrascht: Nicht nur wird es kaum Überschneidungen in der Setliste mit der Show von vor zwei Tagen geben — zudem entwickelt der frühe und auf Platte eher blasse Song auf der Bühne eine unmittelbare Sogkraft: Mit seinem repetitiven Muster, auf das sich heitere Percussion und ein immer lebendigeres Spiel von Publikumsliebling und Star-Schlagzeuger Carter Beauford und Bläserfanfaren legen, die Bilder einer Serengeti-Landschaft bei strahlendem Sonnenschein malen, ist er das Sprungbrett für die bestens aufgelegten Musiker, die hier noch Mantra-artig den Groove ertasten und auf den idealen Augenblick zum Absprung in ihre Jam-Expeditionen warten.

Wenn auch Rashawan Ross zunächst nicht glücklich ist über den Sound und das Verhalten seiner Trompete, tut das der offensichtlichen Freude seiner Mitmusiker keinen Abbruch: Saxophonist Jeff Coffin, der seit 2008 den verstorbenen LeRoi Moore würdig ersetzt, grinst mitfühlend, Dave Matthews bedankt sich immerzu beim Publikum für seinen Support und strahlt mit Beauford um die Wette, während Stefan Lessard unablässig schwofend seinen fünfsaitigen Bass im Arm wiegt wie eine Tanzpartnerin.



Arthur „Buddy“ Strong, den der Bandchef als neues Familienmitglied vorstellt und der den Sound der Dave Mathews Band immens bereichert, kann seinen Enthusiasmus nicht hinter seiner riesigen Burg aus Hammond-Orgel, E-Piano und Keyboards verstecken — und selbst dem hinter einer dunklen Sonnenbrille abgetauchten Gitarristen Tim Reynolds entfleucht ab und an ein Lächeln.

Ihr Zusammenspiel bleibt nicht so suchend und behutsam wie zu Beginn, mit jeder weiteren Minute wird ihr zum Markenzeichen gewordener Sound zwischen Rock, Pop, Jazz, Funk und südafrikanischem Shangaan-Pop ausgelassener, belebender, virtuoser und nachdrücklicher. Zum Zuge kommen an diesen Abend Stücke nahezu alle Studioplatten der Dave Matthews Band, wenngleich mit leichter Schlagseite zu Under The Table And Dreaming (1994). Besonders gefeiert wird der Hit und Grammy-Gewinner ›So Much To Say‹ von 1996 als einziger Beitrag von Crash, vier Interpretationen des aktuellen Werks werden zwischendurch eingeflochten, darunter der feierliche ›Samurai Cop (Oh Joy Begin)‹ und ›She‹ als eines der rockigsten Stücke von Come Tomorrow.

›Jimi Thing‹ gleitet über in den nahezu instrumentalen Intensiv-Funk-Jam ›Sexy M.F.‹ (Prince), dann beendet das mitreißende ›Grey Street‹ als 18. Song ein bemerkenswert erbauliches Konzert. ›Can’t Stop‹ ist die erste zweier Zugaben, zu denen die Gruppe zurück auf die Bühne kommt, ehe Lessards stimmungsvoller Bass-Alleingang einen Hinweis darauf gibt, was gleich die Mitsubishi-Electric-Halle zur Explosion bringen wird: Spielt die Dave Matthews Band ihre Fassung der Dylan-Nummer ›All Along The Watchtower‹, gibt es grundsätzlich kein Halten.

An diesem Abend setzt sie sogar noch eins drauf, als Reynolds in seinem Lead-Part zu heftigem Hammond-Zauber das ikonische Gitarrensolo von ›Stairway To Heaven‹ intoniert und in einem Feuerwerk gleichzeitig die Dave Matthews Band, Led Zeppelin, Jimi Hendrix bunte Funken sprühen. Ein bewegender Abschluss, der nicht jeder Show dieser Europa-Tournee vergönnt sein wird. Sollte nach der Trennung von Boyd Tinsley im letzten Jahr fraglich gewesen sein, ob die Gruppe ihrem guten Ruf auch ohne den langjährigen Violinisten gerecht werden kann, lautet die Antwortet nach diesem Abend: Ja, und zwar unglaublich gut.


Setliste, Düsseldorf, Mitsubishi-Electric-Halle

1. One Sweet World
2. Dancing Nancies
3. Warehouse
4. Do You Remember
5. Lying In The Hands Of God
6. So Right
7. The Space Between
8. So Much To Say
9. Samurai Cop (Oh Joy Begin)  
10. Kill The Preacher
11. Why I Am
12. Don’t Drink The Water
13. Here On Out
14. She
15. Jimi Thing > Sexy M.F.
16. Satellite
17. Granny
18. Grey Street
Zugabe:
19. Cant Stop
20. All Along The Watchtower > Stairway To Heaven > All Along The Watchtower


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