Lalu

Ein Happy End für die Menschheit

Das französische Prog-Projekt Lalu lässt nur selten von sich hören: Paint The Sky ist das dritte Album innerhalb von 16 Jahren. In die Rolle des Sängers schlüpft erstmals der einstige Threshold-Barde Damian Wilson.

TEXT: YAN VOGEL |FOTO: Anthony Dubois

Vivien Lalu ist studierter und vor allem ein passionierter Musiker. Neben seiner eigenen Band ist der Keyboarder gefragter Session-Akteur, als der er Auftragsarbeiten für Film, Funk und Fernsehen fertigt. Dass sein nach ihm benanntes Projekt mit Oniric Metal (2005), Atomic Ark (2013) und nun Paint The Sky bislang lediglich drei Alben zustande brachte, verwundert vor diesem Hintergrund weniger. »Zuletzt hatte ich mit progressiver Musik eigentlich gar nichts am Hut«, erklärt Lalu. »Ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt und hatte auch keinen Plattenvertrag. Die ersten Skizzen für Paint The Sky sind dann Ende 2019 entstanden — bis die Musik im Frühjahr 2021 fertig war.«

Auf Paint The Sky gelingen dem gebürtigen Pariser zahlreiche magische Momente. Besonders die fast betörende Melodieverbundenheit der Musik des 43-Jährigen weiß zu gefallen, die ebenso wie die Vielschichtigkeit auf seine Ausbildung zurückgeht.



»Ich habe Jazz-Klavier bei Emmanuel David studiert, der wiederum von Thelonius Monk gelernt hat. Ich spiele aber auch in einer Melodic-Rock-Band — Toto kommen auf meiner ewigen Bestenliste direkt hinter Yes. Als Komponist beschränke ich mich deshalb nicht stur auf einen Musikstil. Ein guter Song existiert Genre-unabhängig und wenn ein bestimmter Part nach Jazz oder Klassik verlangt, dann soll es eben so sein. Das ist es, was ich unter „progressive“ verstehe.«

Auf Paint The Sky gibt sich eine renommierte Riege versierter Musiker die Sticks (Simon Phillips) respektive die Tasten (Jordan Rudess, Jens Johansson) in die Hand. Schwerer als deren Mitwirken wiegt allerdings der Wechsel am Mikro seines Projekts: Waren die ersten beiden Alben mit Mekong Delta-Sänger Martin LeMar entstanden, strebte Vivien Lalu nunmehr die Zusammenarbeit mit Damian Wilson an, der sich einen Namen als Sänger von Threshold, Ayreon und Arena gemacht hat. Der viel beschäftigte Brite, der mit seinem Solo-Album Limehouse To Lechlade aktuell einen sanften Singer/Songwriter-Kurs verfolgt, tritt auf Paint The Sky wieder ins Prog-Rampenlicht, bewirkt aber auch eine latente Verschiebung des Härtegrades von Lalu hin zu mehr Melodien und griffigen Refrains.



»Natürlich hilft, wenn du weißt, wer auf dem Album mitwirkt. Aber ich verfahre umgekehrt: Zuerst entsteht die Musik, dann schaue ich, wer dazu passen könnte. Gerade mit Damian hat die Arbeitsteilung sehr gut funktioniert. Ich habe ihm bei den Gesangsmelodien und Texten komplett freie Hand gelassen.«

Seine Eltern spielten in den Siebzigern in der französischen Progressive-Rock-Gruppe Polène. Auf diese Zeit nimmt Vivien Lalu im Titelstück mit seinen verspielten Orgelklängen Bezug: Die Kollaboration mit Steve Walsh erklärt er tatsächlich mit pränataler Beeinflussung. Der frühere Kansas-Sänger veredelt ›Paint The Sky‹ in einem faszinierenden Duett mit Hauptstimme Damian Wilson. »Damit hat sich für mich ein Kindheitstraum erfüllt. Meine Eltern hatten mit ihrer Gruppe Kansas-Songs im Programm. Als meine Mutter mit mir schwanger war, hat sie diese Lieder oft auf dem Keyboard gespielt. Die Zusammenarbeit mit Steve Walsh ist mir also förmlich in die Wiege gelegt worden. Dass diese Legende zugestimmt und so brillant abgeliefert hat, erfüllt mich mit Stolz.«



Die Gedanken, die Wilson im Opener ›Preset To Reset‹ formuliert, ähneln denen der artverwandten Prog-Metal-Institution Dream Theater, die auf ihrem aktuellen Album die Weltflucht als interstellare Reise besingen. Das kommentiert Lalu nicht ohne Ironie: »Am Ende erreicht die Menschheit einen ähnlichen Planeten, muss sich jedoch mit den immer gleichen Problemen rumschlagen. Selbst wenn man den Hintergrund ändert, bleibt die Essenz des Daseins erhalten«, ist er sicher und verweist lachend auf den Albumabschluss ›We Are Strong‹, in dem er ein Andy Simmons-Gedächtnis-Picking als Grundierung, einige geschmackvolle elegische Soloeinlagen als Höhepunkte und zahlreiche melodische Anker zu einem nachhaltigen Klangerlebnis formt: »Die Menschheit braucht ein Happy End, genauso wie unser Album.«


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