The End: Machine

The Quantum Phase

Frontiers
VÖ: 2024

Szene-Veteranen mit frischen Impulsen

George Lynch gibt gerne zu, hin und wieder selbst den Überblick über seine zahlreichen Album-Projekte zu verlieren. Seine beiden mit Abstand liebsten Band-Spielwiesen sind davon ausgenommen und zu wichtigen Konstanten geworden, mit denen der 69-jährige Amerikaner die Verbindung zu jener frühen Karrieredekade pflegt, in der er so glorios zum gefeierten Gitarrenidol des Achtziger-Hardrock und darüber hinaus aufstieg: die nach der Implosion von Dokken ins Leben gerufenen Lynch Mob genauso wie The End Machine, bei denen vor mittlerweile sechs Jahren drei Viertel der klassischen Dokken-Besetzung und Sänger Robert Mason zusammenfanden, der 1992 dem zweiten Mob-Album seine goldene Hardrock-Stimme lieh.

The Quantum Phase ist das dritte Album dieser Band, von dem Lynch weit im Vorfeld der Vollendung schwärmte, es sei eine seiner besten Studioarbeiten überhaupt. Ob man als Hörer so weit gehen muss, sei dahingestellt. Dennoch wird im Verlauf der wohlklingenden Platte deutlich, dass wohl kein anderes seiner vielen Alben die Linie von Wicked Sensation (1990) und Lynch Mob (1992) konsequenter fortsetzt als The Quantum Phase — woran die wieder herrlich eingefetteten Hardrock-Riffs ebensolchen Anteil haben wie die buttrig umgesetzten Produktions-Arrangements, die es so von Lynch schon lange nicht mehr zu hören gab.

Und nicht zuletzt die starken Songs, von denen lediglich die zweite Single Anlass zu Debatten bietet: Der plumpe Chor der doch etwas generisch anmutenden Lynch-Riff-Nummer ›Killer Of The Night‹ wirkt mehr wie ein Relikt des skandinavischen Neo-Sleaze als irgendetwas, das dem musikalischen Naturell der gestandenen Szene-Veteranen Lynch und Bassist Jeff Pilson entspräche oder einen noch so vagen Anknüpfungspunkt an die Vitae der einstigen Dokken-Kollegen böte.

Repräsentativ ist sie zum Glück nicht, auch wenn im deutlich stimmigeren ›Hell Or High Water‹ und dem gloriosen Feger ›Into The Blazing Sun‹ abermals abgeklärte Gang-Chöre erschallen. Es sind Stücke, in denen sich der neue Sänger Girish Pradhan exponiert in Stellung bringt und die Musik von The End Machine mit eigenen Impulsen erweitert.

Imposant gelingt ihm dies auch im stürmischen ›Silent Winter‹, das all jene aufhorchen lassen dürfte, denen auf den letzten 26 Lynch-Veröffentlichungen die Gesangsmelodien nebst Chören nicht griffig und tragend genug waren. Und davon gibt es hier noch etliche mehr. Es ist beachtlich, wie sehr der junge Inder von dem sicheren Umfeld der so erfahrenen Genre-Haudegen profitiert, in den starken Kompositionen geradezu aufblüht und diese so sensibel auszufüllen versteht, wie es ihm auf keinem seiner eigenen mit Girish And The Chronicles entstandenen Alben möglich war.

›Time‹ ginge ebenso als klassischer Lynch Mob-Stoff durch wie ›Shattered Glass Heart‹, das instrumental einige Reminiszenzen an ›All I Want‹ oder auch ›Hell Child‹ unter der Haube hat. Höhepunkt aber ist ›Burning Man‹, in dem die Lynch-Gang Eindrücke von Rainbow, Dio und Whitesnake zu einem Heavy-Blues-Drama der Sonderklasse zusammenfügt. Und womit sich Pradhan ein erstes unumstößliches Denkmal setzt: Diese Nummer hätte ihm wohl niemand zugetraut.

(8.5/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

ROCKS PRÄSENTIERT

DAS AKTUELLE HEFT

Cover von ROCKS Nr. 101 (04/2024).