John Corabi

John Corabi über Abbey Road

Aus gutem Grund wird in diesen Tagen viel über das weiße Album debattiert: Der neue Remix von Giles Martin ist ein Ohrenschmaus. Sänger John Corabi (The Dead Daisies, The Scream) jedoch hat einen anderen Beatles-Favoriten.

TEXT: DANIEL BÖHM

Aus gutem Grund wird in diesen Tagen viel über das weiße Album der Beatles debattiert: Der neue Remix von Giles Martin und die Esher-Demos sind ein Ohrenschmaus, die einen das 1968 erschienene Doppelalbum The Beatles neu entdecken lassen. Sänger John Corabi (The Dead Daisies) hat einen anderen Favoriten. Mehr zu Corabi — aber auch zu den Beatles — gibt's in unserer kommenden Ausgabe (ROCKS 01/2019), für die wir uns ausführlich mit ihm über seine Band The Scream und die Entstehung des unbesungenen Klassikers Let It Scream (1991) unterhielten.

»Abbey Road ist mein absolutes Lieblingsalbum. Eine Band und ein Phänomen wie die Beatles wird es mit ziemlicher Sicherheit nie wieder geben. All ihre Platten sind toll, aber dieses Album hat mich immer ganz besonders fasziniert — speziell auch als Sänger. Vor allem zwei Lieder haben es mir angetan, die beide Paul McCartney singt.

Das bluesige ›Oh! Darling‹ ist für mich der Höhepunkt von Abbey Road. Paul singt die Strophen in gewohnter Manier, doch dann verändert sich seine Stimme von einer Sekunde auf die andere. Sie wird total rau und richtig dreckig! Bei ›Golden Slumbers‹, macht er dasselbe für ein paar Sekunden nochmal. Paul McCartney und John Lennon galten immer als die großen Songschreiber der Beatles und sie hatten die Zügel auch fest in der Hand.

Bei Abbey Road konnten sich aber alle vier einbringen. Auch George Harrison war ein grandioser Komponist, was rückblickend viele übersehen. Seine Ballade ›Something‹ ist einfach fantastisch, ›Here Comes The Sun‹ genauso. Hochinteressant ist auch das Medley auf der zweiten Seite, diese vielen kurzen, stilistisch unterschiedlichen Songs, die ineinander übergehen und ein Ganzes ergeben. Mit der damals vorhandenen Studiotechnik muss es verdammt mühsam gewesen sein, so etwas aufzunehmen und zusammenzubringen.



Ich habe die Platte nicht lange nach ihrem Erscheinen 1969 zum ersten Mal gehört. Da muss ich zehn gewesen sein. Selbst habe ich mir in diesem Alter aber noch keine Platten gekauft, die zweite Frau meines Vaters hatte Abbey Road in ihrer Sammlung. Ich hab die LP dann mit nach oben in mein Zimmer genommen und habe mir das Ding wieder und wieder angehört. Als ich etwas älter war, habe ich mir dann sämtliche Alben von den Beatles besorgt.

Keine der Gruppen, in denen ich über die Jahre gespielt habe, hat wirklich nach den Beatles geklungen. Aber es gab bei jeder ein oder zwei Lieder, die mich an die „Fab Four“ erinnern: bei The Scream ist es ›Father, Mother, Son‹, bei Mötley Crüe ›Misunderstood‹, bei Union ›I Wanna Be‹. Und auf Revolución von den Dead Daisies ist es ›Sleep‹.

Legendär an Abbey Road ist auch die Plattenhülle mit dem Zebrastreifen. Kurz vor Veröffentlichung des Albums tauchte das Gerücht auf, dass Paul tot und angeblich wäre schon vor einer Weile bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei, und dass ein Doppelgänger seinen Platz in der Band eingenommen hätte. Das Artwork schien das Gerücht zu befeuern, weil ausgerechnet Paul darauf so sehr heraussticht. Zudem kann man die kleinen Löcher in der Wand links oben auf der Rückseite der Plattenhülle so mit einem Stift verbinden, dass sich die Ziffer 3 ergibt. Direkt daneben steht das Wort Beatles.

Aber schon auf Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band und in ›Revolution 9‹ vom weißen Album haben Verschwörungstheoretiker Futter und Argumente für ihre Thesen gefunden. Musik hatte damals noch etwas Geheimnisvolles an sich. Das ist im Zeitalter der modernen Informationstechnologie fast komplett verschwunden. Ich vermisse das.«


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