Perfect Plan

Die Seele des Songs

Perfect Plan sind Spätberufene — alle Mitglieder waren bereits über fünfzig, als die schwedischen Melodic-Rocker an den Start gingen. Aber nach saturierten Männern mit zu viel Tagesfreizeit klingt ihr drittes Album Brace For Impact keineswegs.

TEXT: MAXIMILIAN BLOM |FOTO: Leif Wikberg

Es war zweifellos ein mutiger Schritt, den Kent Hilli vor einigen Jahren wagte: Statt die letzten Jahre bis zur Rente in seinem festen Job in der Logistikbranche zu bestreiten, entschied sich der passionierte Freizeitsänger, der lange den Joey Tempest in einer zünftigen Europe-Tribute-Combo verkörperte, für ein Leben als Vollzeitmusiker.

Gleich seine ersten Versuche als federführender Songschreiber seiner Band Perfect Plan brachten ihm einen Plattenvertrag ein, der ihm die Tore zu einer neuen Karriere aufstieß. Streng genommen sogar seiner dritten: Vor seiner bürgerlichen Existenz hatte der Mann aus dem nordschwedischen Örnsköldsvik semiprofessionell Fußball gespielt und erst mit Anfang dreißig jenes Hobby für sich entdeckt, das nun sein Lebensinhalt ist.

Seit vor vier Jahren das erste Perfect Plan-Album All Rise erschien, haben Hillis Aktivitäten erheblich an Schwung gewonnen: Unter anderem veröffentlichte er mit seiner Stammformation eine weitere Studio- (Time For A Miracle, 2020) wie auch eine Live-Platte und realisierte sein hörenswertes Solo-Album The Rumble (2021). Zuletzt machte Hilli zudem als neuer Frontmann der Hardrock-Helden Giant von sich reden, als der er einen Großteil ihres Comeback-Albums Shifting Time (2022) mitkomponierte. Als großer Fan der Amerikaner ging für Hilli damit ein Traum in Erfüllung. Zur Perfektion seines Glücks fehlte ihm lediglich, was vermutlich die meisten Musikerkollegen während der Pandemie vermisst haben dürften.



»Das war eine nervenaufreibende Phase«, erzählt er. »Einerseits hatte ich durch die Pandemie viel Zeit, kreativ und produktiv sein zu können. Ich habe vier Alben in anderthalb Jahren geschrieben, das wäre sonst kaum möglich gewesen. Auf der anderen Seite konnte ich weder mit Perfect Plan noch mit Giant oder meinem Solo-Projekt live auftreten. Trotzdem bin ich unendlich dankbar, das alles machen zu dürfen — und sogar davon leben zu können!«

Auch wenn seine Projekte zumindest auf dem Papier dem melodischen (Hard-)Rock zuzurechnen sind, hat doch jedes seinen eigenen Charakter, der sich aus dem jeweiligen Arbeitsumfeld ergibt. Vor allem bei Perfect Plan ist dies der Fall. Denn auch wenn Hilli als Frontmann und einziger Profi das kreative Heft in der Hand hat, ist es doch eine Band in ganz traditionellem Sinne, deren melodischer Hardrock markant mit dem der Musik von Europe verbunden ist (das harte ›Still Undefeated‹ etwa überrascht zu Beginn mit einer überdeutlichen Nähe zu ›Little Bit Of Lovin’‹ von Prisoners In Paradise), durch die umsetzenden Musiker aber um eigene Impulse nie verlegen ist. So lässt etwa Gitarrist Rolf Nordström seine Liebe für Heavy- und Progressive Metal mit einfließen ein und sorgt damit für Texturen und eine angenehme Grundhärte, die die eingängigen Melodieideen seines Sängers ergänzen.


»Ich habe mal gehört, dass Jon Bon Jovi neue Songs immer mit einem Textfragment beginnt. Das ist bei mir anders. Ich starte typischerweise mit einer Gesangsmelodie, einem Gefühl und einem Thema für den Text — sozusagen der Seele des Songs. Meistens wird daraus der Refrain. Bei Perfect Plan bringe ich diese Ideen dann zu Rolf und wir spielen gemeinsam damit herum, bis sich ein Lied daraus entwickelt hat. Damit gehen wir dann in den Proberaum, wo der Rest der Band seine Ideen einbringt. Es ist also wirklich jeder von uns in die Entstehung involviert.«

Die Gruppe selbst sieht in Brace For Impact ihr bislang härtestes Album — ein Eindruck, den schon der Opener ›Surrender‹ bestätigt. Dezente Prog-Metal-Noten weist die erste Singleauskopplung ebenso auf wie einen stampfenden Refrain in halber Zählzeit, der Modern-Rock-Manierismen erstaunlich nah ist. Wie eben auch dem frühen Werk der ewigen Konstante in ihrer eigenen Geschichte, die einst den Grundstein zu Perfect Plan legte: Europe.

»Out Of This World und Prisoners In Paradise sind meine liebsten Europe-Alben. Aber auch Last Look At Eden steht in meiner Gunst sehr weit oben, denn es war etwas völlig Neues für sie. Lieder wie ›New Love In Town‹ und ›No Stone Unturned‹ sind absolut großartig und so ganz anders als das, wofür sie bis dahin bekannt waren. Wenn ich Brace For Impact mit ihrem Schaffen vergleichen sollte, würde ich sagen: Es ist eine Mischung dieser drei Alben.«



Den Mix ihres dritten Albums hat dann auch passenderweise Landsmann Tobias Lindell übernommen, der in der Vergangenheit mit jungen Hardrock-Acts wie H.E.A.T arbeitete — aber auch für die Veteranen Europe tätig war: Als Produzent von Last Look At Eden (2009).

In gewisser Weise müsste aber auch The Final Countdown (1986) Teil von Hillis Referenz-Aufzählung sein, denn eins der stärksten Stücke auf Brace For Impact ist ›Emelie‹. Hilli klassifiziert den Song zwar eher als Midtempo-Nummer, trotzdem steht er nicht zuletzt durch seinen Namen in der Tradition großer Radiorock-Balladen wie eben dem Europe-Schmachtfetzen ›Carrie‹.

»Natürlich ist es ein Klischee, Frauennamen als Titel zu benutzen, aber es gehört irgendwie auch zum guten Ton in unserem Genre. Es war aber eine sehr natürliche Entwicklung und kein bewusster Plan. Im Grunde ist das Lied schon fünf oder sechs Jahre alt. Es hatte damals aber noch eine andere Strophe und einen anderen Pre-Chorus, mit denen ich nicht so richtig glücklich war. Auch da erbrachte die Zusammenarbeit mit Rolf den Durchbruch: Gemeinsam haben wir relativ schnell die heutige Form gefunden. Ich bin sehr stolz auf diese Nummer. Die Ballade des Albums ist aber ›My Angel‹: Den Song habe ich für meine Tochter geschrieben, die kürzlich ihren Schulabschluss gefeiert hat.«



Dieser Text stammt aus ROCKS Nr. 91 (06/2022).

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