Archon Angel

Fallen

Frontiers
VÖ: 2020

Hemdsärmelige Anmaßung

Seit 19 Jahren schon liegen Savatage auf Eis — das letzte relevante Album dieser einmaligen Metal-Band liegt sogar noch länger zurück: The Wake Of Magellan erschien 1997. Die Idee hinter einem Projekt wie Archon Angel ist deshalb prinzipiell eine gute: Solange das ungebrochen stark emotionalisierende Original an der kurzen Leine gehalten wird und zugunsten des finanziell zugkräftigen Trans-Siberian Orchestra zurückstecken muss, halten ehemalige Savatage-Musiker den Sound ihrer Band eben in Nebenprojekten lebendig. Das neueste Substitut, als das sie in den Werbetexten angepriesen werden, sollen nun Archon Angel sein. Was für eine Anmaßung!

Und zwar nicht per se deshalb, weil Sänger Zak Stevens hier mit dem Gitarristen Aldo Lonobile (Secret Sphere) und anderen Musikdesignern aus Italien zusammenarbeitet, die im Wake Of Magellan- und Edge Of Thorns-Nachbau ›Fallen‹ freche, substanziell tatsächlich aber gute Arbeit leisteten. Wer aber mit dem Vermächtnis von Savatage so kalkuliert spielt wie hier, muss auch mit den Konsequenzen leben, wenn die aufgebauten Erwartungen durch die hemdsärmelige Umsetzung des Folgenden nicht nur nicht erfüllt, sondern maßlos enttäuscht werden.

Fallen ist allenfalls ein knapp durchschnittliches und zuweilen erschreckend untightes Metal-Album, das in ›Hit The Wall‹ mit seinen unsäglichen Schüttelreimen besonders heftig austeilt, obwohl man durch ›Under The Spell‹ bereits hätte vorgewarnt sein müssen: Man höre und staune nur über das Geschehen ab Minute 3:30, wenn Archon Angel zu einem kanonartigen Chorpart anzusetzen versuchen, für den Savatage bekannt waren — und sich in einem völlig orientierungslosen Stimmgewusel verheddern, das klingt wie eine absaufende Horde Muppets. Traurig.

(5.5/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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