»Ich kann nicht anders, als David Gilmour zu nennen, auch wenn ich in den Siebzigern noch glühender Verehrer von Led Zeppelin, Queen oder der Alex Harvey Band war. Ich wähle ihn, weil er nicht nur ein fantastischer Gitarrist, sondern auch als Sänger und Komponist ganz groß ist.
Dabei liebe ich eigentlich das komplette Werk von Pink Floyd. Schon die abgedrehten Sounds und verrückten Ideen ihres Debüts The Piper At The Gates Of Dawn haben es mir als Teenager mächtig angetan. Syd Barrett war bestimmt ein genialer Kopf, aber nach Gilmours Einstieg begann unaufhaltsam der Aufstieg in die Superstar-Liga. The Wall war ihr kreativer Höhepunkt, aber ich mag auch Lieder wie ›High Hopes‹ von The Division Bell, der Scheibe, von der David mal sagte, dass sie die nie hätten machen dürfen.
Ohne Barrett schlüpfte er unbewusst immer mehr in die Rolle des Bandleaders, was Nick Mason und Richard Wright sicher relativ egal war, jedoch den Unmut seines exzentrischen Kollegen Roger Waters auf sich zog. Die alte Rivalität wie bei Lennon/McCartney oder Blackmore/Gillan sorgte für einen mächtigen kreativen Schub.
Denn Pink Floyd waren nicht die großen Virtuosen, sondern musizierten eher sehr songdienlich. Ich denke an Überwerke wie ›Welcome To The Machine‹ von Wish You Were Here. Masons Drumming war solide, mehr nicht. Aber was wäre wohl passiert, wenn Wright sich zu einem Keyboard-Wizard wie Rick Wakeman entwickelt hätte? Es waren eben Gilmours stilles Geschick und die kaum umzusetzenden Visionen von Waters, die da aufeinanderprallten. Alleine hätten die beiden nie so wunderbare Musik erschaffen, zusammen konnten sie es aber auch nur eine gewisse Zeit. Zum Glück lange genug.
Ende der Siebziger gab es die Anfeindungen aus dem Punk-Lager und Sex-Pistols-T-Shirts mit der Aufschrift I hate Pink Floyd, die ihrer Langlebigkeit aber auch nichts anhaben konnten. Aber hat nicht Johnny Rotten später mal gesagt, dass er Floyd immer bewundert hat? Und Nick Mason hat das Debüt von The Damned produziert — und was war das für ein Hammer! Gerade die alten Scheiben von Floyd hatten eine gewisse Punk-Atmo: Da waren keine selbstverliebten Artisten am Werk, sondern vier Musiker mit bescheidenen musikalischen Fähigkeiten, die noch gar nicht in der Lage waren, ihre großen Ideen umzusetzen.
Man stelle sich vor: Die hatten keine Ahnung, was für ein genresprengendes Werk sie in The Dark Side Of The Moon geschaffen hatten, und hegten keine kommerziellen Hintergedanken; nicht mal ihr Bandname war auf dem Cover. Doch wie es so oft kommt: Eine Nummer hat sich durchgesetzt. Wegen ›Bohemian Rhapsody‹ hat jeder von A Night At The Opera gesprochen — hier war es ›Money‹. Aber ich finde den Vorgänger Meddle sogar noch einen Tick besser, alleine wegen ›One Of These Days‹ oder dem gigantischen ›Echoes‹, bei dem Gilmours elegische Gitarren-Träumereien richtig zum Tragen kamen und er mir zum ersten Mal bewusst aufgefallen ist.
Denn bis dahin waren Pink Floyd auch eine etwas gesichtslose Gruppe. Nur durch Zufall habe ich entdeckt, dass die alten Songs ja von verschiedenen Mitgliedern gesungen wurden. Ich finde, dass ihre Textzeile „and by the way, which one’s Pink“ aus ›Have A Cigar‹ sehr gut auf diese Periode zutraf. Bei genauerer Betrachtung habe ich bemerkt, dass mir die von Gilmour gesungenen Stücke besser gefallen. Bei The Wall war ›Comfortably Numb‹ sofort eines meiner Lieblingslieder — und es ist eines der wenigen aus Davids Feder.
Aber letztlich ist es immer seine Spielweise gewesen, die es mir angetan hat. Diese Mischung aus Blues, Melancholie und Melodie wie bei ›Echoes‹ oder ›Dogs‹. Er klingt immer genial, bei Floyd, Kate Bush oder solo, und er hat definitiv einen großartigen Sound, egal welches Equipment er benutzt. Von ihm habe ich gelernt, nicht alles mit Noten zuzukleistern, sondern der Musik Platz zum Atmen zu lassen.
Mein Gänsehaut-Erlebnis: Als ich zum ersten Mal den Anfang von ›Shine On You Crazy Diamond‹ gehört habe. Es sind nur vier Töne — aber wie er die spielt, das vergisst man nie im Leben.«