Eine Hymne ist Pflicht pro Album: ›Walk The Earth‹ schreitet gravitätisch das vertraute Europe-Terrain ab: Vom Orgelschwellkörper zum Riff zum großmächtigen Joey Tempest-Gesang. Der singt nicht, der deklamiert, während die Kapelle das gewohnte Breitwand-Kino durchexerziert.
Aber danach beginnt eine teils doch recht schräge Achterbahnfahrt, bei der die Schweden immer wieder die Grenzen dessen ausloten, was sie ihrem Publikum glauben zumuten zu können. Mehr denn je setzen sie 2017 auf melodisches Understatement in gedämpften Farben, fast so, als wären ihnen ihre Hits von früher heute peinlich. Schroffes Riff im Kontrast mit süffigem Refrain, dazu ein paar überraschende Breaks und orientalisch anmutende Stimmung im Gitarrensolo: So funktioniert ›The Siege‹.
Ähnlich kontrastreich läuft es bei ›Election Day‹. Für die mellotrongeschwängerte Ballade ›Pictures‹ muss der Geist David Bowies Tempest und den Seinen im Traum erschienen sein, und ›Wolves‹ ist wahrscheinlich das finsterste Stück Musik, an dem sie sich in ihrer Karriere versucht haben. Ein ungut leiernder Riff, dazu ein fieses Brummen in entrücktem Klanggewand, auf dass das Blut in den Adern gefrieren möge, mit John Norums seltsam irrlichterndem Gitarrensolo als Exorzismus.
Nein, eine biedere Altrocker-Gemütlichkeit will sich einfach nicht mehr einstellen. Das ist verdienstvoll, wirkt aber streckenweise etwas überladen. ›GTO‹ klingt zwar vordergründig wie eine dieser typischen Uptempo-Nummern mit Double-Bassdrum-Gebolze, wird aber unterspült von leicht disharmonischen Soundeffekten.
Und ›Haze‹ ist richtig böser Metal mit verstolpertem Metrum, so böse, wie diese netten Männer eben können. Am Schluss wird es endlich noch mal hymnisch. Auf klassischer Grundorgel baut sich ›Turn To Dust‹ sehr effektvoll um ein ständig wiederholtes Thema zum eindrucksvollen Ohrwurm auf — hochmelodiös, aber gänzlich zuckerfrei.