Radio Moscow

Live At Rockpalast 2015

MIG
VÖ: 2020

Stoische Retro-Vollbedienung

Lange Haare, Mittelscheitel (vermutlich fettig), den Blick meistens auf den Boden gerichtet — und dann geht es ab. Manche Künstler lassen ihre Musik erahnen, wenn man nur die bewegten Bilder sieht, ohne einen Ton zu hören: Bei Radio Moscow bestätigt sich das Klischee aufs Allerfeinste. Der Mitschnitt vom Crossroads-Festival 2015 in Bonn zeigt jene Art von Power-Trio, die es in dieser Reinform eigentlich nur zwischen Ende der sechziger und Mitte der siebziger Jahre gab.

»Bluesy, heavy und mit einem Schuss Psychedelia«, so beschreibt Gitarrist Parker Griggs im Bonus-Interview auf der DVD die Musik seiner Truppe, inspiriert von Peter Green, MC5, Blue Cheer und den frühen Fleetwood Mac mit Peter Green.

Die 2003 in Ames (Iowa) gegründete amerikanische Band verdichtet diese Musik, die weniger auf Songs setzt denn auf Riffs, mit durchgängig hyperaktiver Bearbeitung ihrer Instrumente. Kompakter kann man diese Art von Musik kaum arrangieren. Griggs spielt fast durchgehend Soli, mal bluesrock-grundiert (›Deep Blue Sea‹), mal mit Zutaten von Space Rock, manchmal beides zugleich. ›I Just Don’t Know‹ und ›Before It Burns‹ verbreiten Hendrix-Flair, ›Gypsy Fast Woman‹ schielt in Richtung Cream, Heavy-Variante.

Griggs’ Gesang, eher ein raues Bellen als Melodie, dient vor allem als Lückenfüller zwischen den Riffs. Bassist Anthony Meier reitet auf seinem Rickenbacker (was sonst!) permanent wie ein Surfer auf hohen Wellen — irgendwo zwischen Mark Clarke und Geezer Butler, und Drummer Paul Marrone stopft selbst minimalste Löcher im Sound auf seinem kleinen Drumset mit ekstatischen Fills, mit denen er seine Kollegen vor sich hertreibt.

Selbstredend gehört zur Retro-Vollbedienung auch ein Schlagzeugsolo. Und all diesen herrlichen Lärm erzeugen die drei Männer mit weitgehend stoischem Gesichtsausdruck. Ganz ruhig wird es jedoch am Schluss: Da gibt es akustische Versionen der zuvor durchgeprügelten Stücke ›World Keep On Turning‹ und ›250 Miles‹, bei denen Parker Griggs’ Stimme eine ganz andere, wärmere Klangfarbe annimmt.

Keine Wertung

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