John Norums Ausstieg bei Europe mit schwindendem Einfluss erklären zu wollen, greift als Deutung seines drastischen Schritts ordentlich zu kurz: Vielmehr war er eine Demonstration von Charakter und teuren Prinzipien. Zwar hatten die Schweden gerade den Durchbruch im größtmöglichen Stil erlebt — seine plötzliche Rolle als Teenie-Poster-Boy verabscheute der Gitarrist allerdings genauso wie den zunehmend aufdringlich geratenen Sound seiner sieben Jahre zuvor gemeinsam mit Sänger Joey Tempest gegründeten Hardrock-Band, die er auf The Final Countdown (1986) nicht mehr wiedererkannte.
Auf seinem ersten Solo-Album Total Control steuerte Norum ein Jahr später mit einer zünftig virtuosen Gitarrenbreitseite gegen und brachte Gary Moore, MSG und die frühen Europe (Wings Of Tomorrow) zusammen, ehe er musikalisch zu reifen begann. Seine Erlebnisse in der Begleitband von Don Dokken (Up From The Ashes, 1990) sind dem Gitarristen auf seinem zweiten Album ins Blut übergegangen: Im Vergleich zu dem skandinavisch gefärbten Erstling klingt Face The Truth merklich amerikanisch und strotzt längst nicht nur im packenden Titellied vor exponierter Riff- und herausragender Soloarbeit.
Am Gesangsmikrofon wechselt er sich zweimal mit Glenn Hughes ab, der auf einer Hardrock-Platte selten bodenständiger und überzeugender geklungen haben dürfte. In den selbstintonierten Stücken ›Night Buzz‹ und ›Opium Trail‹ stellt Norum seine große Leidenschaft für Phil Lynott zur Schau — letztere Nummer ist eine starke Adaption von Thin Lizzy. Eins der großen Hardrock-Alben der frühen Neunziger, auf dem Norum überdies dem Gerücht Paroli bietet, er sei bis in die Haarspitzen mit Joey Tempest verfeindet: Im Hook-Monster ›We Will Be Strong‹ singen die beiden gutgelaunt und Hand in Hand ein prächtiges Duett.