Selbst die allergrößte Sympathie für den Musiker Joe Perry kann seine Alleingänge nicht zu zwingenden Ereignissen verblenden — abgesehen von den ersten beiden Scheiben seines Joe Perry Project Anfang der Achtziger (vor allem Let The Music Do The Talking) zieht man die Solo-Alben des Gitarristen von Aerosmith doch eher selten bis gar nicht aus dem Plattenschrank. Sweetzerland Manifesto dürfte ein anderes Schicksal widerfahren, denn Perrys erstes Solo-Werk nach Have Guitar, Will Travel (2009) hat nicht nur ein bemerkenswertes Gastaufgebot und gute Songs zu bieten, sondern darüber hinaus auch eine spannende Produktionsidee, die ein tiefgängiges Blues-Rock-Album mit mysteriöser Aura entstehen lässt, das sich nur schwer in einer Zeit verorten lässt.
Terry Reids famoser Gesang in ›I’ll Do Happiness‹ (geschrieben von Perry, Reid und Produzent Jack Douglas) klingt genauso rostig wie die schnarrenden Gitarrenfiguren, die sich durch dieses traumhafte Rhythm’n’Blues-Stück ziehen, in dem Zak Starkey Schlagzeug spielt, Perry an der Gitarre brilliert und der Mediziner Dr. Rudy Tanzi eine stimmungsvolle Orgelgrundierung zaubert. Das rabaukige ›Aye, Aye, Aye‹ entstand zusammen mit Robin Zander von Cheap Trick, ist aber nicht halb so faszinierend und fesselnd wie ›I Wanna Roll‹, wo David Johansen mit seiner einmaligen Stimme zu einem durchgängig polternden Drum-Rhythmus in einen Hallraum hineinsingt, der sich nach und nach mit Gitarren, Klavier und Mellotron füllt. Später folgen noch zwei weitere Songs mit dem Sänger der New York Dolls, mit dem Perry seit den frühen Siebzigern befreundet ist und schon mehrfach arbeitete.
›Haberdasher Blues‹ ist ein wunderbarer Blues in alter Chicago-Manier, der klingt, als wäre er in den Siebzigern entstanden — Johansen singt und spielt Harp. Auch das von P.F. Sloan verfasste und von Barry McGuire bekannt gemachte ›Eve Of Destruction‹ spielt mit unheimlichem Hall und Slide-Gitarre — Perrys Gesang erinnert darin dezent an die Aufnahmen von Johnny Cash mit Rick Rubin. Klasse!