»Mit dem Debüt Space Metal war ich nicht richtig zufrieden«, bekennt Lucassen, der bis 1992 bei der von ihm gegründeten Hardrockgruppe Vengeance in die Saiten griff. »Die Songs waren recht gut, aber die Produktion war schwach. Der Gitarrensound war zu synthetisch, weshalb ich ihn damals tief im Mix vergraben hatte. Aber das war auch nur eine Notlösung, und ich habe mir geschworen, diesen Fehler nicht noch einmal zu begehen.«
Das ist gelungen. Die Klampfen braten heuer ordentlich, was Victims Of The Modern Age zum härtesten Werk des blonden Multiinstrumentalisten seit seiner Ayreon-Scheibe Flight Of The Migrator macht. »Das ist wohl meine Handschrift als Musiker. Generell liegen Ayreon und Star One musikalisch nicht zu weit auseinander, aber während dort eine Vielzahl verschiedener Leute beteiligt ist, ist es hier immer dieselbe Riege. Ich habe eine Weile mit dem Gedanken gespielt, für jedes Lied einen anderen Sänger zu nehmen, aber dann bin ich immer wieder auf Damian Wilson oder Russell Allen zurückgekommen. Ich musste mir eingestehen, dass sie einfach die Besten sind für meine Songs, und damit war klar, dass Victims Of The Modern Age ein Star-One-Album werden würde.«
Dazu kam, dass die ausufernde Konzept-Story der letzten Ayreon-LP 01011001 sogar den Aufmerksamsten überforderte. Dieses Mal zitiert jedes Lied einen wichtigen, auf der Erde handelnden Science-Fiction-Film, während die Stücke des Vorgängers thematisch im Weltraum angesiedelt waren. Leicht zu erkennen sind die Streifen natürlich nicht, sieht man einmal vom opulenten Schlussakkord ›It All Ends Here‹ ab, der nur auf Ridley Scotts Meisterwerk Blade Runner gemünzt sein kann.
»Mein Lieblingsfilm!«, begeistert sich der Cineast. »Klar, dass die Nummer epischer als die anderen Stücke ausgefallen ist und ich ihr eine besondere Stelle eingeräumt habe, nämlich am Schluss. Es sollte alles nicht so ganz leicht zu durchschauen sein.« Auf seiner Homepage konnte derjenige etwas gewinnen, der die Lieder den richtigen Streifen am schnellsten zuordnete.
Lucassens derzeitiger Zelluloid-Favorit ist The Road mit Viggo Mortensen, »ein düsterer Endzeit-Thriller, den man sich nicht anschauen sollte, wenn man trüber Stimmung ist.« Eine solche vertreibt die neue Platte im Nu, denn neben den wieselflinken Gitarren/Keyboard-Duellen ist sie mit den wohl geradlinigsten Riff-Kanonaden und sonnigsten Refrains seiner gesamten Laufbahn ausgestattet.
»Ich hatte einfach keine Lust, wieder von jedem erzählt zu bekommen, dass man die Scheibe zehnmal anhören muss, bis sie zündet«, lacht das Multitalent, das gerade ernsthaft über seinem ersten Soloalbum brütet. »Also habe ich versucht, komplizierte Songstrukturen und lange Intros wegzulassen und mit den Melodien direkt auf den Punkt zu kommen.«