Starcastle

Citadel (1977)

Dass Starcastle der Ruf nachhing, ein flauschig gepolsterter Nachbau von Yes zu sein, kommt nicht von ungefähr. Wie keine zweite Gruppe verstanden es die Amerikaner, den komplexen Artrock des britischen Prog-Flaggschiffs zu formvollendetem Pomp-Rock mit zuckrig-schönen Melodien umzumodeln.

TEXT: DANIEL BÖHM

Als sich im Amerika der Siebziger Progressive-Rock mit AOR vereint, schießen dort zahlreiche Formationen aus dem Boden, die sich nicht recht entscheiden können, ob sie die Musik von Yes, Queen oder die von Boston anziehender finden sollen. Kansas und Styx haben sich über die Jahre als erfolgreichste Vertreter des neuen Pomp-Rock behauptet — Bands wie Trillion oder Starcastle sind bis heute eher Liebhaberthemen geblieben.



Das von Roy Thomas Baker produzierte Citadel ist das dritte Album der Gruppe aus Illinois, die es wie keine zweite verstand, den fantasievollen Art-Rock von Yes mit den zuckrig-schönsten Melodien auszustatten, die man sich vorstellen kann. Dass Starcastle der Ruf nachhing, im Grunde ein flauschig gepolsterter Nachbau des britischen Prog-Flaggschiffs zu sein, kommt zugegebenermaßen nicht von ungefähr: Immerhin halten Stephen Haglers expressionistisch anmutende Verse stets eine gewisse Nähe zu den esoterischen Wallungen des Jon Anderson, und auch der Gesang mit bis zu fünfstimmigen Harmonien weiß ganz genau, welche Assoziationen er evozieren will.



Auch Gary Straters Bassspiel folgt unüberhörbar der Schule von Chris Squire. Und doch wirken Lieder wie ›Shine On Brightly‹, ›Can’t Think Twice‹ und ›Could This Be Love‹ deutlich weniger kopflastig als alles, was Yes zu jener Zeit auf Platte brachten. Formvollendeter Pomp-Rock, von dem in Europa damals wie heute leider kaum jemand Notiz nimmt.


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