Deraps

Wirklich alles selbst gemacht

Einen großen Schritt voran haben die Kanadier auf ihrem zweiten Album getan. Viva Rock N’ Roll wurde unüberhörbar von den frühen Van Halen in Form gebracht — und doch bauen Deraps ihren klassischen Hardrock bunter als zuletzt.

TEXT: DANIEL BÖHM |FOTO: Nick Kozub

Jacob Deraps weiß, dass es einigermaßen schwer ist, über ihn und die Musik seiner Band zu sprechen, ohne das Thema Van Halen anzuschneiden. Bekannt wurde der 1997 in St. Georges, Quebec geborene Gitarrist über seinen Youtube-Kanal. Den speiste er vor elf Jahren mit Videos seiner jugendlichen Darbietungen diverser Songs von Ratt, Ozzy Osbourne und eben Van Halen und ließ an seiner Ton- und Sound-Suche mit verschiedenen Gitarren und Verstärkern teilhaben — wie auch an Konzertmitschnitten seiner mit Schlagzeuger Josh Gallagher gestarteten Band Deraps.

»Ich habe überhaupt kein Problem damit«, so Deraps, der als Knirps vom Computerspiel Guitar Hero zur richtigen Gitarre wechselte und immer tiefer in die Musik der Gang aus Pasadena eintauchte. »Ich liebe Van Halen, das werde ich bestimmt nicht verstecken. Für mich sind sie in der frühen Besetzung mit David Lee Roth einfach die beste Rock-Band aller Zeiten: Roh, wild, energetisch, live — so muss für mich Rock’n’Roll sein. Eddie hatte damals den besten Gitarrensound überhaupt. Er ist so organisch und natürlich verzerrt, warm, satt, aggressiv, druckvoll, hell und sauber zugleich. Es ist ein perfekter Sound, der unglaublich angenehm für die Ohren ist und ein gutes Gefühl vermittelt.«



Es ist ein Sound, dessen Sezieren und authentisches Reproduzieren zu einer Disziplin der Wissenschaft geworden ist, die Gitarren-Nerds in aller Welt beschäftigt. So auch Jacob Deraps: Auf dem Debüt seiner nach ihm benannten Band mischten sich zwar auch Reminiszenzen an die frühen Triumph unter, die betriebsame und nur wenig subtile Gitarrenarbeit hingegen kannte in Sound und Energielevel allerdings nur ein Idol. Drei Jahre später folgt nun Viva Rock N’ Roll, auf dem es bunter, reflektierter, im Sound saftiger und überhaupt auch leidenschaftlicher zugeht. Die ersten drei Stücke der Scheibe halten zumindest durch die fabelhaft in Ton und Spiel eingefangene Gitarrenarbeit bei Laune. Dann ziehen plötzlich auch die Lieder nach, die verdeutlichen, wie massiv Deraps im Vergleich zu ihrem Debüt qualitativ zugelegt haben. ›Last Fall‹ lässt ›Dance The Night Away‹ und White Lion miteinander verschmelzen und einen fabelhaften Song entstehen. »Dieser Song stammt noch aus meinen Teenager-Tagen«, schmunzelt der Kanadier. »Wir haben uns sehr viel Zeit für die Ausarbeitung der Arrangements und Gesangsmelodien gelassen, was ihm sehr gut getan hat. Ich bin überzeugt davon, dass sich auf Viva Rock N’ Roll auch andere Einflüsse heraushören lassen als Van Halen — ›Last Fall‹ ist ein ganz gutes Beispiel.«



Auch im überraschend düsteren Hardrocker ›Born To Die‹ ist das der Fall, obgleich subtiler und zu eigenem Stil verwoben: Im Solo-Teil sind Lehrmeister wie Randy Rhoads und sogar Megadeth zu entdecken. In ›Setting Sun‹ klingen in den Chören Queen- und Styx-Referenzen an, ehe sich im Solo-Part das große Guns N’ Roses-Opulenz-Drama auszubreiten beginnt. In ›Blindside‹ lassen sich Dreaps mit schmatzenden Gitarren dann tief in den Hardrock der Siebziger zurückfallen und zeigen bei alledem doch ein eigenes Gesicht. »Wir haben sehr viel dazu gelernt nach der ersten Platte, die komplett im Trial-and-Error-Prinzip entstand«, erklärt der Gitarrist. »Wir machen wirklich alles selber: Im Studio bin ich Sänger, Gitarrist, Bassist, Produzent, Tontechniker, Arrangeur und Co-Autor mit Josh, der auch singt, Schlagzeug spielt, den Schnitt für unsere offiziellen Videos erledigt und unsere erste Platte auch noch gemischt hat. Heute blicken wir besser durch und haben noch viel mehr Spaß an dem, was wir tun!«



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