Emerson Lake & Palmer

Brain Salad Surgery

Mercury
VÖ: 2014

Willkommen beim infernalischen Karneval

Dass 1973 als das mitunter wichtigste Jahr des Progressive-Rock gilt, ist nicht zuletzt Brain Salad Surgery zu verdanken: Jenem letzten im Kollektiv erarbeiteten Meisterwerk der wenig kompromissbereiten ELP, die sich darauf tollkühn in düster-bizarre Klangabgründe stürzten, die der Vorgänger Trilogy bestenfalls erahnen ließ.

Das halbstündige ›Karn Evil 9‹ entwickelt sich zum zwischen Hardrock und Jazz lavierenden Herzstück des Albums und gehört klar zu den experimentellsten und originellsten Stücken der Rockgeschichte. Die surrealen Klangexperimente im dritten Satz erzeugte zwar Carl Palmer mit elektronischem Drum-Equipment und nicht Keith Emerson. Dennoch bleibt Brain Salad Surgery gerade wegen Emersons Rückgriff auf den Prototypen des polyphonen Moog-Synthesizers die am meisten von Elektronik geprägte Platte der Gruppe, die niemals wieder so  bizarr, aggressiv und visionär klang wie hier.

Weder das stimmungsvolle ›Still… You Turn Me On‹, noch die sakrale, wegen Blasphemie von der BBC verbannte Vertonung von William Blakes ›Jerusalem‹ oder die ›Toccata‹ als effektheischende Bearbeitung des vierten Satzes aus Alberto Ginasteras erstem Klavier-Konzert haben heute an Frische und Relevanz eingebüßt, was das kristallklare und bis ins Kleinstdetail plastisch tönende Remaster dieser Neuedition unterstreicht.

Die Box der Super Deluxe Edition enthält neben fünf CDs mit diversen High-Resolution-Mixen alternative Takes und B-Seiten, außerdem eine Replik des alten „Die-Cut“-Posters sowie ein zwanzigseitiges Begleitheft mit neuen Fotos und Begleit-Texten und zusätzlich auch die Vinyl-LP als audiophile Pressung. Auch das geniale Artwork des Schweizer Surrealisten und Alien-Schöpfers H.R. Giger, der am 12. Mai diesen Jahres verstarb, kommt in der großformatigen Edition zur vollen Entfaltung.

(10/10)
TEXT: MARKUS BARO

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