Die Geschichte von Legs Diamond beginnt 1972. In der kalifornischen Bay Area finden Gitarrist Jeff LaMonte, Bassist Michael Gargano und Schlagzeuger Jeff Poole zueinander, die davon träumen, als Rock-Stars groß rauszukommen. Poole gilt beinahe als Profi: Mit seiner ersten Band Rocking Horse hatte er bereits als Teenager eine Single eingespielt — nun teilt er sich mit seinen Freunden ein Haus, in dem sie leben, proben und Lieder schreiben. Doch vorwärts geht es kaum.
»Wir konnten einfach keinen Sänger finden«, erzählt der Drummer. »1973 bekam ich dann von Freunden in Los Angeles das Angebot, in ihrer Show-Band einzusteigen. Die hatten ein abgefahrenes Science-Fiction-Image, was mir ein bisschen zu viel des Guten war. Hingefahren bin ich aber trotzdem.« Poole lehnt die Offerte ab, weiß nun aber umso sicherer, dass seine eigene Combo nur in L.A. eine Zukunft haben würde. »Wir waren mit Y&T befreundet, die sich noch Yesterday & Today nannten. Dave Meniketti wäre dazu bereit gewesen, bei uns als Sänger und Lead-Gitarrist einzusteigen — nur wegziehen wollte er wegen seiner Familie auf gar keinen Fall.«
Ohne Sänger machen sich die Glücksritter auf in die Stadt der Engel. »Wir haben tagsüber in Schnapsläden gearbeitet und uns am Abend um die Band gekümmert. Wir brauchten nicht nur einen guten Sänger, sondern auch einen zweiten Gitarristen. Und weil wir große Fans von Deep Purple waren, haben wir außerdem nach einem Orgelspieler Ausschau gehalten.«
Den finden sie in Michael Prince, der auch Gitarre spielt. Princes Zustieg weckt ihr Selbstbewusstsein, laut nach einem Frontmann zu fahnden, der es in Stimme und Auftreten mit Ian Gillan und Robert Plant aufnehmen können muss. In Rick Sanford werden sie fündig. Bewegung kommt allerdings erst in ihre Band, als sie 1974 zum wiederholten Male ihren Gitarristen auswechseln: Der in Jamaika geborene Donovan McKitty ist ein optischer Blickfang, dessen Spiel Ritchie Blackmore und Jimi Hendrix gleichermaßen zu vereinen scheint. »Donovan war ein brutal netter Typ, den jeder ins Herz geschlossen hatte«, erzählt Michael Prince. »Wir hatten uns damals mit Ritchie Blackmore angefreundet, der gerne bei unseren Proben vorbeischaute. Als wir ihn kennenlernten, hat er sofort versucht, Donovan seine Gitarre abzukaufen, aber er hatte ja nur diese eine. Ritchie war hin und weg von Donovan.«
Doch bevor diese Besetzung reüssieren kann, wird bei dem Gitarristen Myasthenia gravis diagnostiziert: eine Muskelschwäche, die es ihm schon bald unmöglich macht, sein Instrument zu spielen. »Das war schrecklich. Es ging los wie ein Leiden am Augenlid und breitete sich dann auf alle anderen Muskelregionen aus. Donovan hat uns dann dabei geholfen, Roger Romeo zu finden und ihn einzuarbeiten. Er hat sich regelrecht aufgeopfert. Donovan kam noch wochenlang zu uns in den Proberaum und hat Roger Tipps und Tricks verraten, wie er unsere neuen Songs am besten spielt. Er hat echte menschliche Größe bewiesen.«
Als Legs Diamond den Bandwettbewerb eines lokalen Radiosenders gewinnen, Gargano hatte seinen Namen zwischenzeitlich in Diamond geändert, bekommen sie den Fuß in die Tür zum professionellen Musikgeschäft: ›Rat Race‹ als Beitrag auf dem Radio-Sampler The L.A. Soundtrack 76 führt im November 1976 zu einem Plattenvertrag mit Mercury Records. Die Aufnahmen ihrer ersten LP betreut in Derek Lawrence ein namhafter Produzent, der sich durch Arbeiten für Deep Purple, Wishbone Ash und auch Angel hervorgetan hatte — was ihre Plattenfirma umso mehr davon träumen lässt, die amerikanische Antwort auf Deep Purple unter Vertrag genommen zu haben.
In Stücken wie ›Rat Race‹, ›Deadly Dancer‹ und ›It’s Not The Music‹ schlägt sich der laute Orgel-Hardrock der Briten auf Legs Diamond verhältnismäßig deutlich nieder, wirklich zutreffend war der Vergleich allerdings nie: Viel zu wohl fühlte sich die Gruppe dafür in der Umgebung ihrer Landsleute Riot, Montrose, Moxy und Starz, die in der zweiten Hälfte der Siebziger den Hardrock von Amerika aus auf den Kopf zu stellen versuchen. In ›Stage Fright‹ klingen die frühen Rush an, im muskulösen ›Satin Peacock‹ wiederum Judas Priest: Vergeblich hatte sich Gene Simmons hartnäckig darum bemüht, diese Nummer mit Kiss aufnehmen zu dürfen.
A Diamond Is A Hard Rock (1977) bringt wenig später sämtliche vom Debüt bekannten Reminiszenzen in einer aufwendigeren Produktion zusammen: Michael Prince verziert das von Akustikgitarren und Flöten getragene ›Woman‹ mit bedrohlich zirpenden Synthesizern, ehe die dramatische Nummer an klagender Schwere zunimmt und Sanford stimmlich frappierend an den jungen Rob Halford erinnert. Großartig auch das auf der zweiten Plattenseite folgende ›Jailbait‹ als stampfende Hymne zwischen hartem Orgel-Hardrock und Pomp-Vertretern wie Boston, die in ›Long Shot‹ sogar noch wesentlich unverdeckter mitzumischen schienen. Bretthart und abermals unterlegt von einer drohenden Orgel stürmen Legs Diamond dann in ›I Think I Got It‹ davon: eine prachtvolle Nummer über Geschlechtskrankheiten. Den atmosphärischen Höhepunkt setzt schließlich das mit Tull-verdächtigen Flöten verzierte ›Evil‹, das seinen Titel nicht von ungefähr verpasst bekommen hat.
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