Montrose

Montrose (1973)

Aerosmith und Van Halen belegen wichtige Kapitel im Geschichtsbuch des US-Hardrock der Siebziger. Montrose, denen der 1973 noch gänzlich unbekannte Sänger Sammy Hagar angehörte, waren der Zeit weit voraus.

TEXT: DANIEL BÖHM

Amerika anno 1973: Längst haben britische Heavy-Rock-Riesen wie Led Zeppelin, Humble Pie oder Free bleibende Spuren hinterlassen und eine neue Generation junger Hardrockgruppen auf den Plan gerufen. Aerosmith etwa hatten gerade ihre erste Platte veröffentlicht, von einem Bollwerk wie Rocks fehlte drei Jahre vor dessen Erscheinen allerdings noch genauso jede Spur wie von Heißspornen der Sorte Ted Nugent (der spielt noch bei den Amboy Dukes), Riot oder eben Van Halen.

Alles einflussreiche Namen im Geschichtsbuch des US-Hardrock/Metal — deren harte Sounds die Combo um Ronnie Montrose, den einstigen Gitarristen von Van Morrison und der Edgar Winter Band, auf ihrem von Ted Templeman produzierten Debüt nicht nur um viele Jahre vorwegnimmt, sondern auch schlüssig miteinander verbindet.



»Als ich zum Vorsingen kam, wollte Ronnie sofort wissen, ob ich eigene Lieder hätte«, erinnert sich Sammy Hagar. Mit vier Stücken konnte er dienen (›One Thing On My Mind‹, ›Make It Last‹, ›Bad Motor Scooter‹ und ›I Don’t Want It‹), der Rest ergab sich von selbst.

»Es hat keine zwei Wochen gedauert, bis die LP komponiert, geprobt und aufgenommen war«, bewundert der Red Rocker die Euphorie und den stürmischen Tatendrang und seiner alten Band, die sich ungebremst in der Musik niederschlugen: ›Rock The Nation‹ etwa ist brettharter Stadion-Rock der Sonderklasse und energetisch genauso bis zum Funkenregen aufgeladen wie ›Space Station #5‹, die wuchtige Led-Zep-Walze ›Rock Candy‹ oder der Heavy-Boogie ›Bad Motor Scooter‹.



Dennoch floppte die LP: Bis zur ersten Platinauszeichnung sollten zehn Jahre vergehen. Ihre zweite Platte Paper Money hingegen folgte bereits 1974 und fiel um einiges zahmer und geschliffener aus als Montrose. Der Sound ist aber nicht die einzige Veränderung: Der Umgang miteinander und die Arbeitsatmosphäre blieben nicht lange kollegial, erinnert sich der Sänger. »Von jetzt auf gleich ist mir eine eiskalte Ablehnung entgegengeschlagen, die ich nicht einordnen konnte«, erinnert sich Sammy Hagar.

»Am Ende wollte sich Ronnie meine Ideen nicht mal mehr anhören, lieber mit fremden Songschreibern kooperieren und sogar selber singen. Ich habe Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass nicht etwa ein Fehler oder schlechte Arbeit Auslöser dieser Eiszeit zwischen uns war, sondern ein rumzankendes Ego«.



Tief verletzt verlässt der Sänger die Combo. Verbittert blickt Hagar jedoch nicht auf seine Zeit bei Montrose zurück. »Ganz Im Gegenteil!«, betont er. »Ich würde behaupten, dass ich erst durch Ronnie gelernt habe, Lieder zu komponieren. Er selber stand ja meist nur mit einer Handvoll Riffs im Türrahmen und hat mich angespornt, mit diesen Vorgaben zu arbeiten und etwas daraus zu formen.«

Noch höher rechnet er ihm sein faires Verhalten in geschäftlichen Dingen an. »Ich war noch ziemlich grün hinter den Ohren, Ronnie aber ein erfahrener Profimusiker. Die meisten seiner Kollegen hätten meine Stücke nur dann angenommen, wenn ich alle Vergütungsansprüche an sie abgetreten hätte. Er aber hat mich von Anfang an ermutigt, einen eigenen Musikverlag zu gründen, um von meiner Musik profitieren zu können. Nach meinem Ausstieg haben mich meine Beiträge zu Montrose und Paper Money glatt durch fünf verdammt harte Jahre gebracht, bevor es mit meiner Solokarriere richtig losging. Dafür bin ich Ronnie bis in alle Ewigkeit dankbar.«


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