Thunder

Please Remain Seated

BMG
VÖ: 2019

Unplugged klingt anders

Da fühlt man sich doch gleich wie im Pub seines Vertrauens: Hinten in der Ecke spielt eine kleine Band ein uriges Honky Tonk-Piano, ein Rhythmus wie bei einem Trinklied. Aber das ist kein Trinklied. Es ist ›Bigger Than Both Of Us‹, und man kennt es. Aber eben nicht so. Thunder machen vor, wie Thunder-Songs klingen, wenn man sie anders instrumentiert und so anpackt, als wären es ganz neue Stücke. Ja, es ist leiser, aber es ist ganz anders als unplugged. Denn es gibt auch hier elektrische Gitarren, eine warme Orgel und sonst einiges, was Strom braucht. Aber es gibt auch viel Ungewohntes. Angefangen von veränderten Tempi und Tonarten bis zu rhythmischen Veränderungen wie in ›Fly On The Wall‹, das  plötzlich eine satte Reggae-Schlagseite bekommt. In ›Future Train‹ gospelt es. ›Girl’s Going Out Of Her Head‹ swingt wie eine ausgebuffte Pflegejazz-Combo. Und bei ›Low Life In High Places‹ fühlt man sich doch glatt ein klitzekleines Bisschen an Hearts legendäre Aufführung von ›Stairway To Heaven‹ zu Ehren von Led Zeppelin erinnert — auch wenn die ganz große Explosion zum Schluss ausbleibt. Das alles klingt immer wohlüberlegt, sorgfältig geplant und lange ausdiskutiert. Man mag Danny Bowes kaum glauben, dass die Aufnahmen sehr spontan liefen. Aber eines hört man sofort: Vor allem er kann in diesem musikalischen Kontext die Qualitäten seiner Stimme leuchten lassen wie selten. Beispielsweise in ›I’m Dreaming Again‹: Wer da keine Kerze anzündet, dem ist nicht zu helfen.

(8/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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