Whitesnake

Into The Light (2024 Remix)

Rhino
VÖ: 2024

Geschichtsklitterung mit Reiz

Diese Veröffentlichung lässt sich als reflektiertes Spiel von David Coverdale mit seinem Plattenwerk begreifen — oder aber als Kapitulation vor der immensen Gewichtslast seiner Karriere. Into The Light (2000) war freilich nicht das erste Solo-Album des Sängers, der sich bereits 1977 nach der zeitweiligen Auflösung von Deep Purple mit eigenen Alben neu zu organisieren versuchte. Whitesnake (1977) und Northwinds (1978) waren und sind hörenswerte Platten, auf denen sich der damals 26-jährige Coverdale gekonnt zwischen Soul, Rhythm’n’Blues und straightem Rock auslebte, ehe er unter dem Banner „David Coverdale’s Whitesnake“ mit der EP Snakebite die Weichen stellte zu jener Band, die in unterschiedlichen Inkarnationen als Whitesnake gleich mehrfach den Hardrock prägend veränderte. Auch das 1997 herausgebrachte Restless Heart war streng genommen mehr ein Solo-Album Coverdales denn ein „echtes“ Whitesnake-Erzeugnis, das auf vergleichsweise nachdenkliche, auf festem Blues-Fundament errichtete Rocksongs baute, die ohne explosive Testosteronschübe, Orgelsounds und spitze Schreie auskamen.
Drei Jahre darauf schließlich versuchte der mit 49 Lebensjahren doch noch erwachsen gewordene Sänger, seinem so sorgfältig kultivierten Image des stimmgewaltigen Cock-Rockers mit einem ganz besonderen Album zu enteilen, das sich selbstbewusst zukunftsorientiert gab (hier und dort ließen sich latente Parallelen zu Robert Plant entdecken), insgesamt aber von einem reifen und auch milderen Rock-Temperament durchzogen war. Auch optisch ließ Coverdale die Welt wissen, dass sich die Zeiten für ihn geändert hatten: Die Lockenmähne ließ er sich gehörig zurechtstutzen, zeigte sich mit dunkler Naturhaarfarbe und in unauffälliger Zivilkleidung; die Gitarren spielten Adrian Vandenberg und Earl Slick. Der etwas sterile Sound des Jahres 2000 wäre als eigentlicher Kritikpunkt von Into The Light durch ein Remaster oder einen neuen Mix für David Coverdale leicht zu beheben gewesen. Stattdessen aber hat der sein Album einer ähnlichen Intensivbehandlung unterzogen wie die meisten seiner nach 1984 herausgebrachten Scheiben auch: Als stark in den Sound eingreifenden Remix, der die seinerzeit explizit gesuchte Distanz zu Whitesnake zurückbaut (nicht nur im Hinblick auf die Soundabbildung der Gitarren, sondern vor allem im Gesang). Aus dem Solo-Album ist ein Vierteljahrhundert später ein Werk der weißen Schlange mit veränderter Songreihenfolge geworden, das sich als solches durchaus neu zu entdecken lohnt. Geschichtsklitterung bleibt es zumindest in diesem Fall aber schon.

(8/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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Cover von ROCKS Nr. 106 (03/2025).