Audrey Horne

Was zählt, ist die Bühne

Gefeierte Platten und leidenschaftliche Konzerte haben Audrey Horne ins Rampenlicht befördert. Ihr sechstes Album Blackout hat das Zeug, die eigenwillig rockenden Norweger auf das nächste Level zu hieven.

TEXT: MARTIN RÖMPP |FOTO: PR

Ursprünglich als Freizeitbeschäftigung einiger Musiker aus der norwegischen Black-Metal-Szene gegründet, haben sich die nach der Twin Peaks-Schönheit benannten Hardrocker spätestens mit ihrem schlicht Audrey Horne betitelten Drittwerk aus dem Jahr 2010 als eigenständige Band etabliert.

Mit dem hochgelobten Youngblood perfektioniert der in Bergen ansässige Fünfer um Frontmann Torkjell Rød drei Jahre später seinen von starken Gitarrenharmonien getragenen Heavy-Rock. Das bereits 2014 folgende Pure Heavy setzt zwar weniger Akzente, wird von Audrey Horne aber intensiv betourt — und gerade die packenden Liveshows sorgen dafür, dass ihr Bekanntheitsgrad stetig wächst.

Mit Blackout haben die Norweger jetzt ihre bislang reifste Platte erarbeitet, die vom entspannten Entstehungsprozess hörbar profitiert hat. »Aus heutiger Sicht hätten wir uns für Pure Heavy mehr Zeit lassen sollen«, bekräftigt auch der von allen nur Toschie gerufene Sänger. »Wir hatten gerade bei Youngblood unsere Arbeitsweise komplett umgekrempelt und damit begonnen, alle Lieder gemeinsam im Proberaum zu schreiben, anstatt unsere Gitarristen Thomas und Arve den Job im stillen Kämmerlein erledigen zu lassen. Das hat prima hingehauen, und wir waren so euphorisiert, dass wir sofort neue Stücke in Angriff genommen haben. Erst nach der Veröffentlichung haben wir gemerkt, dass Pure Heavy mit seinem Vorgänger nicht mithalten kann.«



Diesen Fehler hätten sie diesmal vermieden, indem sie dem Material auf Blackout eine dreijährige Reifezeit zugestanden haben, fügt der gerne in Hemd und Krawatte auftretende Tattoo-Künstler hinzu: »Wir haben im Proberaum Riffs und Melodien für rund siebzig Songs erarbeitet — und dann in aller Ruhe die stärksten Ideen herausgefischt.«

Um die neuen Stücke auf ihre Bühnentauglichkeit zu testen, spielten Audrey Horne schon Monate vor dem Studiotermin immer wieder Songs wie ›Naysayer‹ oder ›Rose Alley‹ bei ihren Konzerten. Ein ungewöhnlicher Schritt in Social-Media-Zeiten, doch vorab ins Netz gestellte Aufnahmen bringen den Sänger nicht aus der Ruhe.



»Ich habe kein Problem damit, wenn den Leuten unsere Musik gefällt und sie ihre Handyfilmchen hochladen. Wir arbeiten ja schließlich nur an einem Album und müssen kein Staatsgeheimnis bewahren. Die Plattenfirmen hätten natürlich gerne alles unter Verschluss, aber ich sehe solche Aktionen eher als kostenlose Werbung für uns an. Außerdem hat es uns gutgetan, die neuen Sachen vor Publikum auszuprobieren. Wenn wir Musik-Nerds unter Ausschluss der Öffentlichkeit an unseren Songs arbeiten, können wir schnell den Bezug zur Welt da draußen verlieren.«

Dass Stücke wie ›This Is War‹ oder das bereits erwähnte ›Rose Alley‹ mit seinen melodischen Doppel-Gitarrenleads die starke Verwurzelung der Band im klassischen Thin Lizzy-Stil belegen, ist für Rød ebenso wenig verwunderlich wie der an die Disco-Phase von Kiss erinnernde Bass-Groover ›Satellite‹. »Wenn Bands versuchen, ihre Einflüsse zu verleugnen, wirkt das schnell lächerlich. Es stört mich nicht, wenn uns jemand mit Thin Lizzy vergleicht, schließlich verwenden wir nur die gleichen Stilelemente, kopieren aber nicht ihre Songs.«



Es ist vor allem auch die Stimme des 46-Jährigen, die Audrey Horne mit ihrem eigenwilligen Timbre von anderen Gruppen abhebt. »Als ich aufgewachsen bin, gehörten Leute wie David Coverdale, Tony Harnell oder Sebastian Bach zu meinen Helden«, bekennt der Frontmann, der seine Limitierungen in einen Vorteil umwandelte.

»Selbst wenn ich bis an mein Lebensende jeden Tag stundenlang üben würde — die hohen Töne dieser Jungs würde ich nie treffen können. Erst als dann im Grunge-Zeitalter plötzlich Typen wie Eddie Vedder oder Layne Staley aufgetaucht sind, bin ich als Sänger selbstbewusster geworden. Damals wurde mir klar, dass es auf Emotionen ankommt und nicht nur auf die Technik.«


Dieser Text stammt aus ROCKS Nr. 62 (01/2018).

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