Audrey Horne

Youngblood

Napalm
VÖ: 2013

Glücksgefühle ohne Karl-Theodor

Die Geschäftsstrategen im Hintergrund von Audrey Horne möchten einem die Norweger schon seit Jahren mit der Aufschrift „Classic-Rock“ verkaufen. Doch erst mit ihrem aktuellen Langspieler Youngblood sind sie wirklich in diesem Genre angekommen. Den klitzekleinen Rettungsring namens Alternative-Rock hat die Band heute nur noch für akute Notfälle mit an Bord.

Die Entscheidung, das neue Werk konzentriert in heimatlichen Gefilden einzuspielen und nicht wie für die vorangegangene LP nach Los Angeles zu reisen, hat sich ausgezahlt. In unprätentiösen Live-Sessions entstand eine gut geerdete Liedersammlung, die keinen Sound-Schnörkel zu viel auffährt: Angenehm warm und aufs Nötige reduziert wirkt Youngblood und verliert trotzdem nicht den Zeitgeist aus den Augen. Ein Balance-Akt, der sich bei jedem Durchgang ein Stückchen mehr erschließt. So hat man im Verlauf der Platte des Öfteren das Gefühl, alten Helden in modern tönenden Projekten zu lauschen. Der Starter ›Redemption Blues‹ packt beispielsweise Iron Maiden mit UFO in eine Kiste und verschnürt das Ganze mit abgenutzten Saiten von Tony Iommi. Dicke Hose, breitbeiniger Stand, Glücksgefühle.

Der Titeltrack sowie ›This Ends Here‹ lassen zudem erahnen, dass das Gitarrengespann Arve Isdal und Thomas Tofthagen mehr als nur eine Platte von Thin Lizzy im Gemach gebunkert hat. Gleiches dünkt einem bei den Klängen von ›Straight Into Your Grave‹, ›There Goes A Lady‹ oder ›The Open Sea‹. Nur dass bei diesen Kompositionen Ritchie Blackmore und seine wechselnden Mitstreiter von Rainbow und Deep Purple vorm geistigen Auge vorbeischwirren.

Kapitän Torkjell „Toschie” Rød und seine Mannschaft dürfen mit stolzgeschwellter Brust ins Ziel einlaufen. Ihr Bestreben, klassischen Hardrock aus und für die Gegenwart zu kreieren, haben sie auf ihrem vierten Album perfekt umgesetzt — ohne alte Markenzeichen wie die charakteristische Melodieführung über Bord zu werfen.

(9/10)

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