Francis Rossi

Ich rede zu viel — Die Autobiografie

Hannibal
VÖ: 2019

Die Kasse muss stimmen

65 Hit-Singles, 32 Hit-Alben, die Greatest-Hits- und Live-Scheiben nicht mitgezählt — das ist die Story von Status Quo bis heute. Die Geschichte ihres Frontmanns, aufgezeichnet zusammen mit dem Journalisten Mick Wall, beginnt als die eines ziemlich unsicheren, schüchternen Knaben, der sich nach und nach durch die Musik befreit. Ein wichtiger Katalysator ist dabei die Begegnung mit Rick Parfitt, den Rossi vom ersten Augenblick an als Gegenteil seiner selbst charakterisiert: Hier der unsichere, von Ängsten geplagte Spross eines italienischen Eisverkäufers und einer irischen Mutter, dort der Sonnyboy, der aus behüteten Verhältnissen stammt, weder Sorgen noch Ängste kennt. Das aber stand in epischer Breite auch schon in der 2011 auf Deutsch erschienenen Doppel-Autobiografie von Rossi und Parfitt (Die Status Quo Autobiografie, Original: XS All Areas — The Status Quo Autobiography). Die frühen Kindheits- und Jugenderinnerungen ergeben ein interessantes Sittenbild des Nachkriegsengland und seiner Gesellschaft und spiegeln auch die musikalische Aufbruchstimmung jener Zeit, bleiben dabei aber merkwürdig distanziert. Die Band wächst zusammen, alle Träume erfüllen sich: Frauen, Autos, Häuser.

Gegen Ende der Siebziger steigt Rossi und seinen Kollegen der Erfolg zu Kopf, respektive in die Nase. Ohne Koks kommt der Gitarrist nicht mehr aus dem Bett, eines Morgens fallen ihm beim Duschen Teile der Nasenscheidewand aus dem Gesicht. Das alles ist mit schonungsloser Offenheit geschrieben — aber als Leser von Rockstar-Autobiografien empfindet man diese immer gleichen Geschichten irgendwann nur noch als exhibitionistisch. Rossi nimmt auch sonst kein Blatt vor den Mund, was ihn nicht immer sympathisch macht. Zum einen arbeitet er sich wieder und wieder an seinem früheren Kollegen Alan Lancaster ab, mit dem ihn offenbar eine lebenslange Hassliebe verbindet. Die Begeisterung der Fans über die Reunion-Tour der Frantic-Four-Besetzung kann er nicht nachvollziehen, er findet sie musikalisch einfach schwach. Zudem erscheinen die Metamorphosen des Status Quo-Sounds in den achtziger und neunziger Jahren in seiner Schilderung weniger als ein Ringen um musikalische Reife, sondern vielmehr als ein Streben nach möglichst hohen Chartplatzierungen — und Geld und noch mehr Geld. Dazu passt, wie Rossi sich in Interviews zum Erscheinen des Buches geäußert hat: Er habe sich zum Schreiben erst entschlossen, als die gebotene Summe die angemessene Anzahl an Nullen enthalten habe.

Keine Wertung

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