Alice Cooper bleibt unergründlich in dem, was er tut: Nachdem er zuletzt Road zu einem expliziten Gemeinschaftswerk seiner aktuellen Bühnenbegleiter hat werden lassen, vereint er auf The Revenge Of Alice Cooper nun die Mitglieder der originalen Alice Cooper Band der Siebziger — und zwar nicht nur die heute noch lebenden, wie im Interview mit seinem Produzenten Bob Ezrin in dieser Ausgabe zu erfahren ist.
Das Umarmen jener Weggefährten, mit denen Alice Cooper bereits in den späten Sechzigern als Band-Abenteuer seinen Lauf nahm, hat The Revenge Of Alice Cooper zu einem sehr speziellen Album werden lassen, das sich nur bedingt mit der jüngsten Serie tadelloser Cooper-Platten vergleichen lässt. Oder überhaupt mit einem der 22 Vorgängerwerke. Es ist ein Album, bei dem der nostalgische und sentimentale Wert den rein musikalischen zu übersteigen scheint, was — diese Feststellung ist wichtig — kein bisschen despektierlich gemeint ist. Der Meister selbst tritt darauf nicht in der Rolle des vor einem halben Jahrhundert selbst geschaffenen Alice Cooper in Erscheinung, sondern als der Mensch, der seinerzeit wenig freundschaftlich den Entschluss fasste, seinen weiteren Karriereweg ohne seine langjährigen Wegbegleiter als Solo-Künstler fortzusetzen und diese ihrem Schicksal zu überlassen. Das nicht verwendete Make-up auf den die Veröffentlichung von The Revenge Of Alice Cooper begleitenden Fotos macht dies ebenso deutlich wie die Musik.
Die Behauptung, dieses Album sei die Fortsetzung von Muscle Of Love (1973) ist ausgemachter Blödsinn. Sucht man eine historische Analogie, findet man sie eher um das Jahr 1970 herum, als sich die blutjunge Band unter der Anleitung von Bob Ezrin musikalisch zu finden und im Zusammenspiel zu strukturieren begann. Mancher Reim, manche Melodielinie und überhaupt mancher Songaufbau wirkt hier vergleichsweise grobschlächtig (der Refrain von ›Up All Night‹ etwa) und bricht mit dem formvollendeten und ewig jugendlichen Bild, das man von Alice Cooper eigentlich gewohnt ist. Das ist auch in Ordnung. ›Black Mamba‹ geht so auf Tuchfühlung mit Killer und Welcome To My Nightmare, in Liedern wie ›Wild Ones‹ und ›Crap That Gets In The Way Of Your Dreams‹ bringen die alten Herren ihre gemeinsamen Erinnerungen in Sound und Song, wie es seinerzeit war, als blutjunge Rock’n’Roll-Band herumzulärmen. Dass sich letztere Nummer sehr direkt bei erklärten Helden wie The Who und den Kinks und deren ›All Day And All Of The Night‹ bedient, ist kein Zufall. ›Blood On The Sun‹ erinnert ein bisschen an Ace Frehley und lebt von Neal Smiths tollen Drums, einigen klobigen und dann wieder umso wunderbareren Breaks, während ›Famous Face‹ stoisch und unaufhaltsam voran stapft. Hier ist es ein Genuss, dem pumpendem Bass, den Drums, dem dunklen Böse-Riff, den durchpflügenden Soli zu lauschen, denen sich schließlich auch etwas Orgel untermischt. Das melodische ›Money Screams‹ dröhnt beinahe wie eine Doom-Version der Ramones, während ›What A Syd‹ mit seinen Swing-Motiven und die Rhythm’n’Blues-Nummer ›I Ain’t Done Wrong‹ als Cover der Yardbirds tatsächlich den Vibe der alten Alice Cooper Band versprühen, wie man sie aus der Zeit rund um School’s Out her kennt. The Revenge Of Alice Cooper ist weder ein einfaches noch ein gewöhnliches Album. Nichts anderes hat der Meister im Titel versprochen.
Alice Cooper
The Revenge Of Alice Cooper
EAR Music
VÖ: 2025
Gemeinsame Erinnerungen in Sound und Song
(7.5/10)
TEXT:
DANIEL BÖHM