Cheap Trick

In Another World

BMG
VÖ: 2021

Die Sommermacher

Ob diese Band jemals die Beachtung erfährt, die ihr zusteht? Mehr als vierzig Jahre nach ihrem legendären At Budokan Live-Hit zeigen Cheap Trick nicht die geringsten Abnutzungserscheinungen mit ihrem liebevoll gepflegten Mix aus zackigem Hardrock und sonnendurchflutetem Power-Pop mit vielen Verweisen auf die Beatles.

Ein wirklich schlechtes Album gibt es nicht von dieser originären Band aus Illinois (selbst das vielgescholtene The Doctor von 1986 hat seine Momente) — und der Lauf, den sie seit Rockford (2006) regelrecht zelebrieren, kann einem beinahe unheimlich werden: Die famose Weihnachtplatte Christmas Christmas (2017) mitgezählt, ist In Another World das sechste Qualitätswerk der Sommermacher in Folge. Der riesengroße Refrain von ›Here Comes The Summer‹ schließt einen direkt zu Beginn in die Arme: Ein fabelhafter Einstieg in ihren nunmehr zwanzigsten Langspieler.

In Julian Raymond hat die Band um Gitarren-Spaßvogel Rick Nielsen und Goldkehle Robin Zander einen verlässlichen Partner gefunden, dessen Breitwand-Produktion in ›Quit Waking Me Up‹ oder dem von einem brummigen Bass getriebenen ›Light Up The Fire‹ (der Solo-Teil hat etwas von Aerosmith) auch dem kürzlich verstorbenen Wall-of-Sound-Erfinder Phil Spector gefallen hätte. Das Titelstück gibt es in gleich zweifacher Ausführung: Zunächst in einer berührenden, recht John Lennon-lastigen und herrlich orchestrierten Opulent-Version — zum Schluss in einer fast punkrockigen Abfahrt auf hartem Grund.

Ihre Bewunderung für den Sound der Beatles pflegen Cheap Trick konsequent in der fabelhaften Coverversion von Lennons ›Gimme Some Truth‹ (mit einem Gastauftritt des ehemaligen Sex Pistols-Gitarristen Steve Jones), oder eher subtil in der orchestrierten Ballade ›So It Goes‹, die gleichermaßen an den späten Paul McCartney und das von Jeff Lynne produzierte George Harrison-Werk Cloud Nine erinnert. Und ›Here’s Looking At You‹, das sich eine Hommage an ihren Mega-Hit ›Surrender‹ nicht verkneifen kann, reicht das fulminante Spätwerk sogar an ihren Endsiebziger-Überflieger Heaven Tonight heran. Genau das Album, das die Welt gerade so dringend braucht.

(9/10)
TEXT: MARKUS BARO

ROCKS PRÄSENTIERT

DAS AKTUELLE HEFT

Cover von ROCKS Nr. 104 (01/2025).