Henrik Freischlader

Night Train To Budapest

Cable Car
VÖ: 2013

Er tut's schon wieder

Wer hätte das gedacht: Nach der famosen Band-LP House In The Woods bleibt der Wuppertaler Bluesgitarren-Held im Studio wieder mehr für sich und spielt den Großteil aller Instrumente selbst ein, lediglich den Hammond-Spezialisten Moritz Fuhrhop zieht er punktuell hinzu. All das kennt man schon von Still Frame Replay (2011) und Recorded By Martin Meinschäfer (2009) — und doch unterscheidet sich Night Train To Budapest gravierend von den beiden Vorläufern.

Was als lupenreines Selbstexperiment begann, ist für den Wuppertaler längst zu einem riesengroßen Kreativspielplatz geworden, auf dem er sich nicht nur nach Herzenslust austoben, sondern in aller Konsequenz mittlerweile auch detailverliebt und tiefenwirksam selbstverwirklichen kann. Schon der frech tänzelnde Opener ›Point Of View‹ verdeutlicht dies nur allzu gut: Dass in dieser feurigen Tanznummer ein Ein- beziehungsweise ein Zwei-Mann-Orchester zu hören ist, lässt sich nun wirklich nicht heraushören — und selbst wenn man es weiß, ist jeder Gedanke daran ohnehin Nebensache, sobald Freischlader mit einem astreinen Richie-Kotzen-Gedächtnis-Run eines seiner zupackendsten Soli seit langem abfährt.

Musikalische Bandbreite hat der Gitarrist schon auf Still Frame Replay bewiesen. Aber erst hier fügt sich alles mit ausgesprochen lebendigen Zwischentönen zusammen, die Songs genauso wie die Sounds. Kecke Einsprengsel solcher Einflüsse wie John Mayer (›Caroline‹, ›Everything Is Gone‹) stehen dem Multiinstrumentalisten bestens zu Gesicht, bleiben jedoch der ersten Albumhälfte vorbehalten — die zweite wirkt ruppiger und verschlossener, und benötigt etwas mehr Zeit, um geknackt zu werden. Hat man aber Bluesrocker wie ›Gimme All You Got‹ oder ›Your Loving Was So Good‹ erstmal ins Herz geschlossen, folgt die Erkenntnis, dass Night Train To Budapest zwar anders, keinesfalls aber schwächer als House In The Woods gelungen ist. Anspruchsvolles und gefühlsintensives Bluesrockkino. Schon wieder.

(9/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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