Michael Sweet erlebt ein kreatives Hoch. Mit No More Hell To Pay hat der Chef von Stryper seiner Band vor zwei Jahren ein bärenstarkes Album im klassischen Stil auf den gelb-schwarz gestreiften Leib geschrieben, danach seine sechste Soloplatte I’m Not Your Suicide aufgenommen und schließlich mit Gitarrengott George Lynch (Dokken, Lynch Mob) das famose Projektalbum Only To Rise veröffentlicht. Befürchtungen, dem Musiker könnte auf dem neuen Stryper-Werk die kreative Puste ausgegangen sein, erweisen sich als unbegründet.
Fallen ist die konsequente Fortsetzung von No More Hell To Pay und schafft es sogar, neue und zuweilen richtig überraschende Akzente zu setzen. Selbstverständlich sind hier alle wesentlichen Markenzeichen der Amerikaner enthalten. Sweets Stimme hat über die Jahre kaum an Umfang eingebüßt und dominiert seine Songs in kraftvoller Weise, was gepaart mit dem charakteristischen Gitarrensound, den hohen Wiedererkennungswert seiner Band ausmacht. Musikalisch bewegt sich die Band auf Fallen größtenteils auf altbekanntem Hardrock- und Metal-Terrain. ›Heaven‹ ist ein mächtiger Midtempo-Groover, der auch schon auf To Hell With The Devil (1986) ein Ausrufezeichen gesetzt hätte, ›The Calling‹ weiß mit seinem hymnenhaften Refrain zu überzeugen und mit ›Till I Get What I Need‹ hat Sweet einen autobiografischen Rocker vom Zaum gelassen, dessen Kraft kaum zu bändigen ist.
Neuland betreten Stryper beim Opener ›Yahweh‹, der mit fast sieben Minuten Spielzeit zum längsten und progressivsten Stück ihrer Karriere geworden ist. Basierend auf einer Idee von Sevendust-Gitarrist Clint Lowery, hat Sweet ein Mini-Epos geschaffen, das mit Querverweisen zu Bands wie Iron Maiden und Metallica überraschend hart und düster ausgefallen ist. Dazu passt die hervorragende Interpretation des Black Sabbath-Klassikers ›After Forever‹ von 1971, die einmal mehr belegt, dass sich Sweet in erster Linie als hart rockender Metaller versteht — und erst dann auf seine nach wie vor christlichen Texte achtet. Fallen wirkt anfangs etwas sperrig, doch in Sachen Langzeitwirkung löst die Platte den starken Vorgänger deutlich ab.