Vulture

Dealin' Death

Metal Blade
VÖ: 2021

Entdeckungen jenseits des Blitzlichtgewitters

Auch Dealin’ Death bringt Vulture nicht in Verruf, plötzlich dem Easy-Listening-Metal zu frönen. Und doch ist das dritte Album der Band ein gutes Stück anders geraten, als man es nach Ghastly Waves & Battered Graves erwartet hätte, das mit lupenreinem US-Speed Metal der königlichsten Sorte verzückte.

Und dabei auch forderte: Das Gesangs-Tourette von Leo Steeler, der sich mit viel Hall auf der Stimme durch seine Horrorgeschichten jauchzte und fauchte, war und ist nicht jedermanns Sache. Was einen umso tiefer in diese überragende Platte hineinsog, waren die ereignisreichen Arrangements und die phänomenale Gitarrenarbeit, deren Riff- und Solo-Dramaturgie immer wieder an King Diamond denken ließ und der Musik von Vulture majestätische Spannungsbögen und Widerhaken verlieh. Nur: Live war das alles sehr bedingt reproduzierbar.

Die daraus gezogenen Konsequenzen lassen sich nun auf Dealin’ Death begutachten, auf dem die Band das permanente Blitzlichtgewitter abgestellt hat. Nicht unbedingt langsamer, aber weniger hektisch und überladen sind Vulture geworden — ohne zu tumbem Holzfäller-Speed zu verklumpen. ›Malicious Souls‹ ist ein gutes Beispiel für den neuen Weg der Nordrhein-Westfalen, der ihre Songs besser wirken und durch Gang-Shouts fester zupacken lässt. Oder auch das abgebrühte ›Count Your Blessings‹ mit seinem tief geraunten Refrain und den effektiven Breaks, die ab dem solodurchsetzten Mittelteil eine völlig neue Qualität dieser Combo zum Vorschein bringen: Vulture können lässig swingen.

Was sie im knackigen ›Below The Mausoleum‹ noch viel mehr tun. Und vor allem in ihrem melodisch zugänglichen Meisterstück ›Gorgon‹, das mit einem fanfarenartigen Gitarrenthema beginnt, kurz ein dramatisches Klavier anklingen lässt und dann an distinguierte Gitarren übergibt, die tief in der Tradition von King Diamond stehen. Es gibt so viel zu entdecken. Auch die hyper-atmosphärische Achtziger-Produktion, in der die aufgenommenen Instrumente nicht bloß fett und laut durch die Gegend blasen, sondern mit einer immensen Detailliebe im Klangraum platziert wurden.

(9/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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