Fast anderthalb Jahrzehnte liegt ihr letztes Album XV mittlerweile zurück. Eine lange Zeit, in der gesundheitliche und private Schicksalsschläge (Schlagzeuger Jerry Gaskill etwa musste sich von mehreren Herzinfarkten erholen, dann verlor er durch Hurrikan Sandy sein gesamtes Hab und Gut), zahlreiche Nebenprojekte und Solo-Ausflüge aller drei Musiker und zuletzt die Pandemie ihre Prioritäten neu ordneten. Dass es schließlich doch zu einer neuen Platte von King’s X kam, ist also keine Selbstverständlichkeit. Niemand sollte den Fehler begehen, sein persönliches Lieblingsalbum dieser einmaligen Band zum Maßstab der eigenen Erwartungen zu machen. Dafür ist der Dickkopf von Three Sides Of One um einiges zu groß, das die Band vom ersten Augenblick an als immenses Power-Trio zeigt, mit komplexen Arrangements, getarnten Hooks und gut versteckten Widerhaken-Momenten zunächst aber wie ein schwer zu fassendes Biest daherkommt. Und einmal mehr demonstriert, weshalb King’s X in so vielen unterschiedlichen Genre-Lagern gleichermaßen verehrt werden.
Auch auf Three Sides Of One nimmt ihre Musik die Erscheinung von unkonventionellem Hardrock mit Spurenelementen von Rush, Jimi Hendrix, Gospel und Beatles-Harmoniegesängen und sämtlichen Mischvarianten an, die sich zwischen bretthartem Groove- und psychedelischen Heavy Rock, Prog, Soul und Alternative finden und formen lassen. Das dunkle ›Let It Rain‹ scheint Doug Pinnicks Bandprojekt KXM in Ear Candy zu übersetzen, bevor sich in ›Flood Pt.1‹ ein wildes Groove-Riffgewitter entlädt, in dessen sanfter Strophe sich Streicher und R&B Bahn brechen. ›Nothing But The Truth‹ nähert sich in seinem Verlauf dem Sentiment von ›All Night Thing‹ (Temple Of The Dog) und wird durch Ty Tabors Chorstimme und seiner in Spiel und Sound göttlichen Gitarrenarbeit vergoldet. Das von ihm gesungene ›All God’s Children‹ ist ein urtypischer Tabor-Song in warmen Tonfarben; sein ›Watcher‹, in dem King’s X, Rush und Revolver eins werden, deutet glatt King’s X (1991) und Ear Candy (1996) an. Auch die von Gaskill intonierten Nummern ›Take The Time‹ und ›Holiday‹ (Tom Petty?) sind belebende Beiträge der zugänglicheren Sorte. Das alles zusammenzubringen, ist ein gutes Stück Arbeit. Aber es lohnt!