Es beginnt im Londoner Künstlerviertel Notting Hill. Nicht nur David Bowie und Pink Floyd haben im verschlungenen Kellergewölbe der All Saints Church ihre allerersten Shows gespielt, auch Gitarrist und Sänger Dave Brock und Saxofonist Nik Turner unternehmen hier ihre ersten Karriereschritte. Der einflussreiche DJ John Peel empfiehlt ihre Experimental-Equipe Hawkwind Zoo Plattenfirmen und Club-Besitzern als heiße Neuentdeckung und rät zu einer Verkürzung des Namens zu Hawkwind. Eine handelsübliche Rock-Band waren sie nie. Nicht einmal Brock erinnert sich an die unzähligen Besatzungsmitglieder, unter denen sich auch viel Prominenz findet. So etwa der frühere Cream-Trommler Ginger Baker, Gong-Keyboarder Tim Blake, Science-Fiction-Autor Michael Moorcock und Motörhead-Ikone Lemmy Kilmister. Sie haben den Sound ebenso geprägt wie Turner und Brock oder der singende Poet Robert Calvert, Violinist und Keyboarder Simon House, die Synthesizer-Spezialisten Dik Mik und Del Dettmar oder Trommler Alan Powell. Dead Kennedys-Gallionsfigur Jello Biafra inspirierten sie zum Verfassen von Punk-Klassikern wie ›Holiday In Cambodia‹ und der spätere Sex Pistols-Sänger John Lydon war, so heißt es, vor seiner Zeit als Punk-Idol Roadie bei der musikalischen Hippie-Gesellschaft.
1970 erscheint ihr schlicht Hawkwind betiteltes Debüt, das live in den Trident Studios entsteht: Ein psychedelisch-wummernder Endlos-Jam, verziert mit elektronischen Spielereien und Mantra-artigen Beschwörungsformeln. Der einzige konventionelle Song ist das eingängige ›Hurry On Sundown‹ — ein Mini-Hit. Zu dem das Sextett seine Anti-Kommerz-Haltung mit Gratiskonzerten außerhalb der großen Festivals wie Glastonbury oder Isle Of Wight untermauert, gegen politische Missstände protestiert und Konzertgagen auch schon mal örtlichen Tierheimen spendet.
Für eine ganz kurze Periode existiert zumindest ein halbwegs festes Line-up. Mit dem früheren Hendrix-Roadie Ian „Lemmy“ Kilmister am Bass, Trommler Simon King, Sänger Robert Calvert und Dik Mik und Del Dettmar wagen Hawkwind 1972 mit ihrem einzigen Top-Ten-Hit ›Silver Machine‹, den Lemmy singt, einen zarten Flirt mit dem Mainstream. Ansonsten sieht sich Brock als Anführer eines Artisten-Kollektivs, bei dem es nicht um die Ideen eines Einzelnen geht.
»Wo bei anderen Acts meist nur ein Mitglied gegen ein anderes ausgetauscht wird, finden bei uns Kunstschaffende unterschiedlichster Couleur zusammen. Wir wollten keinen Geiger, aber als Simon auftauchte, hatten wir einen, jeder ist willkommen, etwas zum Gesamtkunstwerk Hawkwind beizutragen und deswegen ändert sich auch unser musikalisches Erscheinungsbild oft. Musiker, Darsteller und Lichtshow bilden eine Einheit, und das verändert den Charakter der Band mitunter dramatisch. Wir sind wie ein Schiff auf einer langen Reise. An jeder Anlegestelle gehen ein paar Passagiere von Bord und neue steigen zu. Und da treffen oft außergewöhnliche Menschen aufeinander. Manche bleiben lange, andere steigen immer mal wieder ein und aus, wie Robert oder Tim Blake.«
Nicht ungewöhnlich deshalb, dass Warrior On The Edge Of Time sogar einen Ausflug in Prog-Gefilde unternimmt und Sonic Attack die New Wave of British Heavy Metal kurzzeitig in den Weltraum katapultiert. Und der Sternenkreuzer wird immer mehr zur Durchgangsstation. Bis zum heutigen Tag er- und überlebt Brock unzählige Besetzungswechsel, musikalische Umbrüche und sogar eine von der Crew angezettelte Meuterei mit dem Ziel, die volle Kontrolle zu übernehmen. Brock bleibt Sieger und manövriert Hawkwind in den ausgehenden Achtzigern sowie dem Folgejahrzehnt durch eine schwere Zeit, überbrückt von Alben wie Space Bandits, Alien 4 oder Electric Tepee, die zwar nicht an die Klassiker der Frühzeit heranreichen, dem guten Namen jedoch keine Schande bereiten. Zu alter Stärke kehrt Brock 2016 mit dem Konzept-Album The Machine Stops zurück, das auf dem gleichnamigen Roman von E.M. Forster basiert. Seither erscheinen in schöner Regelmäßigkeit Studio- wie auch Live-Alben, und Steuermann Dave Brock denkt auch im stolzen Alter von 82 Jahren nicht daran, den altgedienten Raumfrachter stillzulegen.
UNVERZICHTBAR
In Search Of Space (1971)
Den eindeutigen Übergang vom Psychedelic- zum Prog-Rock vermeidet Brock mit dem 16-minütigen ›You Shouldn’t Do That‹ und dem Gitarren-lastigeren ›You Know You’re Only Dreaming‹; Maschinen-Beats, Gitarren-Echos, Elektronik-Zirpen wie auch geisterhafte Stimmen bilden den Nährboden für etwas völlig Eigenes, das sich auf anarchische, latent jazzige Krautrocker wie Ash Ra Tempel oder den Amon Düül II-Klassiker Yeti beruft. Das von Nik Turner gesungene ›Children Of The Sun‹ gleicht einem geheimnisvollen heidnischen Sonnentanz, das prophetische ›We Took The Wrong Steps Years Ago‹ verbindet Synthies mit satten Akustikgitarren. Ein Stilmittel, das in der Zukunft viele Variationen durchleben sollte und in ›Master Of The Universe‹ oder dem von Ian „Lemmy“ Kilmister gesungenen Hit ›Silver Machine‹ die Geburtsstunde des Space-Rock markiert. In bester britischer Tradition bleibt die Single beim Album außen vor.
Hall Of The Mountain Grill (1974)
Ohne Michael „Dik Mik“ Davies und Robert Calvert, die jüngst das Mutterschiff verlassen haben, setzt das nun alleinige Bandoberhaupt Brock seine Visionen auf ihrem sehr stimmigen vierten Album gezielter um. Dank Produzent Roy Thomas Baker klingt das erstmals auch fabelhaft, das Studio dient bei den Stereo-Effekten in ›Psychedelic Warlords (Disappear In Smoke)‹ oder den himmlischen Chören in ›D-Rider‹ als weiteres Instrument. Großer Gewinn ist Keyboarder Simon House, der den Sound mit Mellotron, Violine oder Piano dramatisch erweitert, was er in ›Wind Of Change‹ und dem im Alleingang bestrittenen instrumentalen Titelsong beeindruckend demonstriert. Durch die Wand aus verfremdeten Synthie-Sounds des energischen ›You Better Believe It‹ ertönt Lemmys charakteristisches Knurren, der im geraden Rocker ›Lost Johnny‹ einen Ausblick in die eigene Zukunft gewährt.
SIEBEN EMPFEHLUNGEN
Doremi Fasol Latido (1972)
Trommler Simon King und Lemmy Kilmister, der den ehemaligen Amon Düül II-Bassisten Dave Anderson ersetzt, verordnen dem psychedelischen Dickicht in ›Down Through The Night‹ oder ›Lord Of Light‹ erstmals eine geordnete Struktur mit ungleich höherem Melodiegehalt. Dagegen mutet das elfminütige ›Brainstorm‹ dank zu Beginn enervierend endlos repetierter Stakkato-Riffs, Del Dettmars Sphären-Klängen und Nik Turners wilden Saxofon-Improvisationen wie eine chaotisch verlaufene Jam-Session an. Im harsch-atonalen ›Time We Left This World Today‹, dem monotone Stammestrommeln eine hypnotische Aura verleihen, setzt sich der Wahnsinn mit Methode fort. Und wie zuvor ›Silver Machine‹ kommt auch Calverts Single ›Urban Guerilla‹, vom britischen Radio aufgrund des gleichzeitig stattfindenden IRA-Terrors boykottiert, nicht auf das Album.
Warrior On The Edge Of Time (1975)
Näher an den Prog als im sinfonischen ›Assault And Battery/The Golden Void‹, das musikalische Gegenstück zu einem interstellaren Flug durch die Weiten der Galaxie und Lemmys erklärter Lieblingssong der Band, haben sie sich nie gewagt. Die auf dem Roman The Eternal Champion des englischen Fantasy-Autors Michael Moorcock basierende Geschichte über unendliche Paralleluniversen und den ewigen Kampf ihres Herrschers um das kosmische Gleichgewicht thematisieren jedoch nur die drei Spoken-Word-Einschübe ›The Wizard Blew His Horn‹, ›Standing On The Edge‹ und ›Warriors‹. Die profunde künstlerische Weiterentwicklung einer Band, die sich bald in unzähligen Line-up-Wechseln aufreiben würde, dokumentiert das in den Waliser Rockfield Studios entstandene Werk im psychedelischen ›Magnu‹ oder dem muskulösen Instrumental ›Opa-Loka‹.
Astounding Sounds, Amazing Music (1976)
Ein fast komplett improvisierter Live-Set auf dem Watchfield Free Festival deutet das neugewonnene Selbstverständnis nach dem Rauswurf von Lemmy dezent an. In der Summe klingt das wie ein benebelter Studio-Jam, zu dem alle Mitglieder Ideen beigesteuert haben. Brocks ›Reefer Madness‹ basiert auf dem gleichnamigen amerikanischen Streifen von 1936, der vor den Gefahren des Hasch-Konsums warnt und dank seines unfreiwillig humoristischen Untertons unter Kiffer-Freunden in den Siebzigern hoch im Kurs steht. Die bislang dichte Klangsuppe löst ein erdiger, Gitarren-orientierter Sound ab, in dem Synthie-, Piano- und Saxofon-Klänge nicht länger zu ertrinken drohen. Weit entfernt vom patentierten Space-Rock präsentieren sich der Trance-artige, zehnminütige ›Steppenwolf‹-Jam, das traumhafte ›Chronoglide Skyway‹ von Simon House und Turners exzellentes ›Kadu Flyer‹.
Quark, Strangeness & Charm (1977)
Nach dem gefloppten Vorgänger unternimmt Brock erneut eine Kurskorrektur zu bewährter Arbeitsweise. Ohne die Abtrünnigen Nik Turner und Alan Powell gefällt ›Spirit Of The Age‹ nicht nur durch einen betont trippigen Klangcharakter, auch Calverts lyrische Beschreibung einer sterilen futuristischen Welt, in der Androiden über geklonte menschliche Wesen herrschen, signalisiert eine deutliche Rückkehr auf bekanntes Terrain. Das von Roger Zelaznys gleichnamigem Science-Fiction-Roman inspirierte ›Damnation Alley‹ entsteht in langen Studio-Jams, ›Hassan I Sabbah‹ addiert eine orientalische Note und den Titelsong mit seinem lässigen Pop-Appeal hätte man sich auch von David Bowie vorstellen können. Das beliebige ›The Days Of The Underground‹ und einige instrumentale Platzhalter belegen aber auch, dass sich die ganz große Kreativität noch nicht wieder eingestellt hat.
PXR 5 (1979)
Der mentale Zusammenbruch Calverts und der Wechsel von Simon House in die Band von David Bowie sind nur zwei Aspekte, die zum kurzzeitigen Hawklords-Projekt führen. Das ist schnell wieder Geschichte; der Neustart PXR 5 wird aus Budgetgründen mit temporärer Hilfe von House, Calvert, Bassist Adrian Shaw und Trommler Simon King überwiegend live eingespielt. Ihre Fangemeinde aus dem Punk-Lager bedient das ruppige ›Death Trap‹, auch das akustisch geprägte ›Jack Of Shadows‹ flirtet ungeniert mit der aufkommenden New Wave. Das ein wenig zu lang geratene ›Robot‹ gefällt mit melodischer Orgel-Grundierung, während ›Uncle Sam’s On Mars‹ beinahe nach der Syd Barrett-Phase von Pink Floyd klingt. Die Ballade ›High Rise‹ erinnert an die von Uli Roth gesungenen Lieder des zweiten Scorpions-Albums. Trotz der extrem schwierigen Umstände fällt nur das Synthie-Massaker ›Infinity‹ ab.
Levitation (1980)
Die Achtziger starten für Hawkwind mit einer radikalen Neuerfindung und einem dank digitaler Produktion deutlich schärfer geschnittenen Klangbild. Der frühere Leo Sayer-Gitarrist Huw Lloyd Langton, Gong-Keyboarder Tim Blake, Bassist Harvey Bainbridge und Cream-Legende Ginger Baker hinterlassen auf Levitation ihre Spuren. Der Trommler-Wechsel von Kraft zu Technik erweist sich in ›World Of Tiers‹, einer Space-Rock-Version von Cream, als augenfällig, der Titelsong oder ›Motorway City‹ gefallen durch hardrockige Riffs, die sich in ›Psychosis‹ mit zirpenden Synthies paaren, was für nette Kontraste sorgt. Mit dem marschierenden ›Who’s Gonna Win The War‹ betreten Hawkwind musikalisch Neuland. Nachdem ein Magazin einen Auftritt als Ginger Baker’s Hawkwind ankündigt, eskalieren die schwelenden Ego-Kämpfe und der Trommler muss seinen Hut nehmen.
The Chronicle Of The Black Sword (1985)
Endlose Besetzungswechsel gehen ihrem ambitionierten Werk voraus, das die schwierige Aufgabe passabel meistert, den komplexen Elric-Zyklus ihres langjährigen Ideengebers Michael Moorcock auf ein Album und eine Bühnenshow einzudampfen. Bainbridge war dafür an die Keyboards gewechselt, die Neuzugänge Alan Davey (Bass) und Danny Thompson (Schlagzeug) unterstützen den weiterhin treuen Lloyd Langton, während der erst zwei Jahre zuvor zurückgekehrte Turner die Band bereits wieder verlassen hatte. Als bissige Fortsetzung des konfusen Sonic Attack hinterlassen straighte Rocker wie ›Sleep Of A Thousand Tears‹, ›Song Of The Sword‹ oder das von Lloyd Langton mäßig gesungene ›The Sea King‹ einen soliden Eindruck, in ›Needle Gun‹ ist gar ein Ohrwurm gelungen, der in Pop-Rock-Gefilden siedelt. Die Relevanz ihrer frühen Jahre erreichen Hawkwind hiernach nur noch selten.
VORSICHT!
Choose Your Masques (1982)
Der Kreativ-Knick hatte sich bereits auf dem im Vorjahr erschienenen, durchwachsenen, Sonic Attack angedeutet. Choose Your Masques besteht vornehmlich aus flach-synthetisch klingendem Füllmaterial wie Lloyd-Langtons schwachen Beiträgen ›Waiting For Tomorrow‹ und dem Tiefpunkt ›Solitary Mind Games‹ oder Spielzeit verlängernden Instrumentals wie ›The Scan‹ oder ›Dream Worker‹, das immerhin ein Sample des Alien-Darstellers Ian Holm enthält. Auch die Punk-Ausflüge wie das auf Ray Bradburys gleichnamigem Science-Fiction-Roman basierende ›Fahrenheit 451‹ klingen gestrig, die durch Synthie-Drums verunstaltete Neueinspielung des Hits ›Silver Machine‹ hätte es ebenfalls nicht gebraucht. Nur der mit flirrenden Synthies abgerundete Titelsong, ›Arrival In Utopia‹ und die eisige Kraftwerk-/Tangerine Dream-Ehrerbietung ›Void City‹ erfüllen die Erwartungen.
LIVE-STERNSTUNDE
The Space Ritual Alive (1973)
Der latent mystische Ansatz ihrer Studio-Alben löst sich live in einem bizarren Mahlstrom aus enervierend endlosem Wah-Wah-Dröhnen, motorischen Drums und elektronischem Schwirren auf. The Space Ritual Alive, mitgeschnitten 1972 bei Auftritten in London und Liverpool, erklärt das Phänomen Hawkwind am eindrucksvollsten. Live stehen sie dem anarchistischen Stooges-Gestus dank fröhlich plärrender Punkrock-Riffs, psychedelisch wabernder Synthie-Nebelschwaden und improvisiertem Saxofon-Gebläse in Klassikern wie ›Brainstorm‹ oder ›Master Of The Universe‹ ebenso nah wie den von ihnen verehrten Krautrockern. Das hypnotisierende ›Earth Calling‹, der monotone Riff-Rocker ›Born To Go‹, das bassbetonte ›Down Through The Night‹ und Calverts poetisch verklärtes Sternen-Gedicht ›The Awakening‹ bilden den Auftakt einer apokalyptischen Space-Rock-Sinfonie, die zu Recht Kultstatus errungen hat.
ARTVERWANDTES
Robert Calvert — Captain Lockheed And The Starfighters (1974)
Eigensinn hatte der 1988 verstorbene Allround-Künstler bei etlichen Gelegenheiten bewiesen, sein Konzept-Album, das die Starfighter-Affäre um den damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauss satirisch behandelt, dürfte zu den skurrilsten Veröffentlichungen des Hawkwind-Universums gehören. Kollegen wie Lemmy, Simon King, Nik Turner, Del Dettmar oder Brock höchstselbst rücken ›The Widow Maker‹ frappierend in die Nähe seiner ehemaligen und zukünftigen Band, die ›The Right Stuff‹ regelmäßig in ihre eigene Setliste einbaut. Dass Monster Magnet den Song später covern (wie auch ›Ejection‹, dessen Riff leicht an Neil Youngs ›Rockin’ In The Free World‹ erinnert), belegt die Relevanz der Scheibe, die auch der „God Of Hellfire“ Arthur Brown in ›The Song Of The Gremlin‹ hörbar bereichert. Das einem Trauermarsch ähnelnde ›Catch A Falling Starfighter‹ unterstreicht Calverts schrägen Charakter ebenso wie die zwischen den Songs platzierten Gaga-Dialoge, die den immer absurderen Fortgang der Affäre in bester Monthy Python-Tradition karikieren.
Hawklords — 25 Years On (1978)
Völlig aus dem Ruder gelaufene personelle und vertragliche Turbulenzen machen die kurzzeitige Umbenennung in Hawklords unumgänglich, die neben Brock und Rückkehrer Calvert aus Bassist Harvey Bainbridge, Keyboarder Steve Swindells und Drummer Simon King bestehen. Gerade der psychisch angegriffene Calvert liefert als Texter und Sänger in Liedern wie dem majestätischen ›Freefall‹ oder dem an frühe Pink Floyd erinnernden ›The Only Ones‹ eine beindruckende Leistung. Im Titelsong mit seiner punkigen Attitüde lassen sowohl der „Ziggy Stardust“-Bowie sowie die frühen Roxy Music grüßen, die Grenze zum Punk überschreitet ›Flying Doctor‹ und in ›PSI Power‹ gelingt ein richtig smarter Ohrwurm. Ein unbeabsichtigtes Bindeglied zwischen Quark, Strangeness & Charm und dem folgenden PXR 5, das jedoch wieder ohne Calvert entsteht, dessen manische Depressionen eine Zusammenarbeit einmal mehr verhindern.
Dave Brock — Earthed To The Ground (1984)
Die von Elektronik- und Ambient-Vorlieben geprägten Lieder seines Solo-Debüts recycelt Brock später in Teilen auf der Earth Ritual-EP, auf der das hier nur von Synthies, Gitarren und Stimme getragene ›Green Finned Demon‹, eingespielt mit vollem Bandbesteck, zu hören ist. ›Assassination‹ sampelt Radiomeldungen zur Ermordung des angeblichen Kennedy-Attentäters Lee Harvey Oswald und findet auf Church Of Hawkwind unter dem Titel ›Some People Never Die‹ ein weniger harsches Äquivalent. Fast unverändert hat es das ungewöhnlich poppige ›Sweet Obsession‹ 2010 auf Blood Of The Earth geschafft. Den pulsierenden, Trance-artigen Titelsong, der sich unverhohlen bei Tangerine Dream bedient, oder das von Shakespeares Drama Richard III inspirierte ›Now Is The Winter Of Our Discontent‹ hätte man dagegen gerne in der Hawkwind-Bearbeitung gehört.
Harvey Bainbridge — Dreams, Omens & Strange Encounters (2010)
Nach seinem Rauswurf verkündete Ginger Baker wenig Gentleman-like, Bainbridge sei der wohl schlechteste Bassist des Planeten. Der hatte sich 1977 Brocks Nebenprojekt Sonic Assassins angeschlossen und gelangte über die Hawklords zu Hawkwind, bei denen er 1984 an die Keyboards wechselte und als eher graue Eminenz bis zu seinem Ausscheiden 1991 oft für die nötige Stabilität in schwierigen Phasen sorgte. Solo ließ er vor allem seiner Liebe für deutsche Elektroniker wie Tangerine Dream oder Klaus Schulze, die er mit Brock teilte, freien Lauf, obwohl ihm sowohl der kreative Erfindergeist als wohl auch das nötige Kleingeld fehlten. Zum Chillen laden das orientalisch angehauchte ›Fatima’s Hand‹ oder das 23-minütige ›Unravelled In Rye‹ ein; kaum weniger lang kämpft sich jedoch ›Nemesis‹ mit monoton-spannungsarmen und endlos wiederholten Sequenzer-Mustern dahin.
DISKOGRAPHIE
Studio-Alben
Hawkwind (1970)
In Search Of Space (1971)
Doremi Fasol Latido (1972)
Hall Of The Mountain Grill (1974)
Warrior On The Edge Of Time (1975)
Astounding Sounds, Amazing Music (1976)
Quark, Strangeness & Charm (1977)
25 Years On (1978)
PXR 5 (1979)
Levitation (1980)
Sonic Attack (1981)
Church Of Hawkwind (1982)
Choose Your Masques (1982)
The Chronicle Of The Black Sword (1985)
The Xenon Codex (1988)
Space Bandits (1990)
Electric Tepee (1992)
It’s The Business Of The Future To Be Dangerous (1993)
White Zone (1995)
Alien 4 (1995)
Distant Horizons (1997)
In Your Area (1998)
Spacebrock (2000)
Take Me To Your Leader (2005)
Take Me To Your Future (2006)
Blood Of The Earth (2010)
Onward (2010)
Stellar Variations (2012)
The Machine Stops (2016)
Into The Woods (2017)
Road To Utopia (2018)
All Aboard The Skylark (2019)
Carnivorous (2020)
The Future Never Waits (2023)
Stories From Time And Space (2024)
There Is No Space For Us (2025)