Deep Purple

InFinite

EAR Music
VÖ: 2017

Grenzdehnung im Jam-Fieber

Wüsste man es nicht besser, man würde es nicht glauben: Die Herren, die sich hier anschicken, mit Energie und Magie dem Hardrock einen neuen Adrenalinschub hinzuorgeln, sind an die siebzig Jahre jung. Und so machen Deep Purple auf ihrem zwanzigsten Studioalbum das, was sie am besten können.

Aus einem Pool erjammter Ideen destillieren sie Songs, die mal sehr heavy (›Hip Boots‹) tonnenschwere Riffblöcke herumwuchten, mal den klassischen Purple-Shuffle in einer Art Leicht-Version einem differenzierten Arrangement-Gefüge zuführen. In ›All I Got Is You‹ brüllen Orgel und Gitarre (am lautesten aber immer die Orgel), wenn sie sollen, und ziehen sich dann wieder dezent zurück, um den altersweisen Ian Gillan und seine tiefergelegte Stimme mit abgeklärter Ironie und lyrischem Witz glänzen zu lassen.

Das tut insbesondere der über sechs Minuten langen Mini-Suite ›The Surprising‹ gut, die eine schwer greifbare, fast geheimnisvolle Wärme ausstrahlt: Der verrätselte Text verleiht ihr eine zusätzliche Dimension. Aber sie können auch richtig auf die Kacke hauen. Mit ›One Night In Vegas‹ liefern sie den ausgelassenen Soundtrack zu einer Sauftour, beglaubigt von Don Aireys Honky-Tonk-Klavier. Mit ›Johnny’s Band‹ werden sie so poppig wie nie — dazu braucht es nicht einmal eine Ballade, nicht mal eine Bridge. Strophe, Refrain, Solo, fertig. Reicht, um Aufstieg und Fall einer Popband in dreieinhalb Minuten zu erzählen. Das Doors-Cover ›Roadhouse Blues‹ ist zwar keine wirkliche Bereicherung, unterstreicht aber ihre Lust am Jammen. Deep Purple erfinden sich nicht neu, aber sie dehnen die Grenzen eines Genres, in dem junge Bands heute oft konservativer auftreten als die Routiniers.

Dringend geraten wird zum Kauf der Version, die die DVD mit dem Film From Here To Infinite enthält. Er ist ein Lehrstück über das, was eine Band sein sollte und im besten Fall sein kann. Deep Purple sind der denkbar beste Fall.

(8.5/10)

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