Iron Maiden

Somewhere In Time (1986)

In den Achtzigern geht es für Iron Maiden permanent aufwärts, irgendwann aber auch an ihre Leistungsgrenze. 1986 experimentieren sie mit neuen Sounds und erschaffen eines ihrer klanglich sonderbarsten Alben: Somewhere In Time ist großes Sci-Fi-Kino.

TEXT: DANIEL BÖHM

Die Geschichte von Somewhere In Time beginnt mit völliger Erschöpfung. Nach dem strapaziösen Triumphzug ihrer World Slavery Tour, die am 5. Juli 1985 nach fast 200 Konzerten in 28 Ländern zu Ende ging, forderten die ausgelaugten Musiker eine Pause. Als Iron Maiden ein halbes Jahr später auf der Kanalinsel Jersey ihren nächsten Studiogang vorbereiten, tut sich nicht zuletzt Adrian Smith als Ideengeber hervor, der in der Vergangenheit meist im Team mit Sänger Dickinson komponiert hatte.



Die spätere Vorabsingle ›Wasted Years‹ stammt ebenso von ihm wie ›Sea Of Madness‹ und ›Stranger In A Strange Land‹ — neben fertigen Texten bringt er gleich auch ausgearbeitete Gesangslinien mit zu den Proben. Das strahlende ›Reach Out‹ auf der Rückseite von ›Wasted Years‹ singt er gleich selbst: ein Song, den er gemeinsam mit dem Gitarristen Dave Colwell (damals bei Samson, später bei Bad Company) für ihr Projekt The Entire Population Of Hackney geschrieben hatte und den Produzent Martin Birch wegen seiner extremen Zugänglichkeit sofort ablehnt.



Dass sich Maiden auf ihrem sechsten Album Somewhere In Time nach neuen Sounds und weiter gefassten musikalischen Ansätzen strecken, ist dennoch nicht zu überhören. Die majestätische und frontale Kraft von Powerslave mag den überdurchschnittlich langen und melodisch überaus zugänglichen neuen Stücken zwar abgehen — dafür verleiht das ungewöhnliche Klangpanorama der Platte einen futuristisch anmutenden Charme, der in der Historie von Iron Maiden einmalig geblieben ist: Harris, Smith und Murray hatten in ihrer freien Zeit mit neuartigen Bass- und Gitarrensynthesizern zu experimentieren gelernt, die es ihnen erlauben, den Klang ihrer Instrumente mit atmosphärischen Chorus-Sounds überlebensgroß zu verbreitern.


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