Sons Of Apollo

MMXX

InsideOut
VÖ: 2020

Zweitstimme Daniel Böhm

Das zweite Album der Sons Of Apollo ist ein ganz schöner Brocken, den man eine Weile in den Händen umherdrehen muss, um sich ein Gefühl für MMXX zu ertasten. Auffällig ist zunächst, dass die Band die auf Psychotic Symphony vorherrschende Diskrepanz zwischen eingängigen Hits und ereignisreicher Progressive-Metal-Kunstturnerei aufgelöst hat und auf sofort mitziehende Wuchtnummern wie ›Coming Home‹ gleich ganz verzichtet: Der Empfang der Herren Soto, Bumblefoot, Sheehan, Sherinian und Portnoy findet mit weniger weit ausgebreiteten Armen statt als gedacht. Was ihr zweites Album nicht zu einer schlechten Platte macht.

Tatsächlich entpuppt sich MMXX als das stimmigere und konsequentere ihrer beiden Alben: Es ist um ein Vielfaches kompakter und gewaltiger geraten und verblüffend engmaschig gewoben. Das vergleichsweise eingängige ›Wither To Black‹ spielt geschickt mit einem ganzen Meer an Orgel-, Mellotron- und Synthesizer-Sounds, für die Derek Sherinian seit seinen Dream Theater-Beiträgen zu A Change Of Seasons und Falling Into Infinity bekannt ist (zusätzlich dazu gibt es viele kleine versteckte Reminiszenzen an Deep Purple, Rush und Yes); passend dazu wird breitbeinig in guter Classic-Rock-Manier gerifft, und auch Billy Sheehan setzt mit seinem signifikanten Knurrbass angenehm vertraute Soundspitzen.

Unauffällig spielt der Bassist auf MMXX ganz und gar nicht. Wild wird die Fahrt in ›Asphyxiation‹, das von Bumblefoot stoisch-harten Meshuggah-Riffwalzen lebt, die von der Band grob in den Soundkontext von Falling Into Infinity eingebettet werden und der faszinierenden Nummer ihre modern-brachiale Heavyness entziehen. Ausgerechnet die Solo-Passagen sind es dann, die endgültig abholen und Luft zum Atmen geben. In epischen ›Desolate July‹ folgt der große Soto-Moment der Platte, ehe ›King Of Delusion‹ nach seinem klassischen Piano-Intro mit besten Dream Theater, Savatage und Ozzy Osbourne hantiert: Der Haupt-Riff hat doch einiges von ›Perry Mason‹.

(8.5/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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