Steven Wilson, Mick Wall

Limited Edition Of One. How to Succeed in the Music Industry Without Being Part of the Mainstream

Constable
VÖ: 2022

Selbstreflexion und der Traum vom eigenen Plattenladen

Wer von Steven Wilson eine übliche Autobiografie in Form einer linearen Erzählung erwartet, der setzt natürlich aufs falsche Pferd. Zwar erzählt er von den Prägungen des Elternhauses, von den ersten musikalischen Versuchen bis zur Ausbildung fester Projekte und Band-Konstellationen und der immer wieder spannenden Frage nach dem vorläufigen Ende und der Wiederauferstehung von Porcupine Tree. Auf die es erwartungsgemäß auch hier keine wirklich überzeugende Antwort gibt.

Aber so chamäleonartig wie sich seine musikalische Karriere in der Rückschau darstellt, so sprunghaft ist auch sein Buch. Schon der Untertitel (deutsch: Wie man Erfolg in der Musikindustrie hat, ohne Teil des Mainstreams zu sein) deutet an, dass es hier um mehr geht: um die Selbstreflexion des Künstlers in einem Umfeld, das ihm immer wieder die eigene Standortbestimmung und auch Abgrenzung von gängiger Vermarktungspraxis abverlangt. Tiefere Einblicke in diese Gedankenwelt ermöglichen einige Gespräche mit Co-Autor Mick Wall, die im Wortlaut nachzulesen sind.

Wilson kokettiert mit dem Erfolg, den er diesem mehr oder weniger feindlichen Umfeld abgetrotzt hat. Ein wenig kokett liest sich auch die Liste seiner zehn Gründe, warum er kein Macho, nicht cool und kein Rockstar sein will. Er raucht nicht, hat nie gekokst, trinkt kaum Alkohol. Alles, was er über sein Auto weiß, ist dessen Farbe und dass man damit von A nach B kommt.

Fehleinschätzungen seiner Person widerspricht er so ausführlich wie launig. Nein, er ist nicht depressiv und lächelt nie, er ist kein Gitarrenheld und er arbeitet auch nicht rund um die Uhr. Vor allem aber wehrt er sich dagegen, von den Medien in der Schublade Progressive Rock abgelegt zu werden.

In diesem Buch findet sich auch manches, was der treue Wilson-Fan sicherlich erwartet und goutiert, etwa die intensive Beschäftigung mit Musik, die kaum jemand außer Wilson wahrnimmt — schon von Kindesbeinen an. So lässt er sich beispielsweise seitenlang über die Single ›The Laughing Gnome‹ von David Bowie aus dem Jahr 1967 aus, die so überhaupt nichts mit dem späteren, »coolen« Bowie zu tun hat.

Intensive Beschäftigung mit Musik bedeutet für Wilson auch die Treue zur Schallplatte und den noch existierenden Plattenläden. Gleichgesinnte werden es nachfühlen können, wenn er schreibt: »Vielleicht erfülle ich mir eines Tages meinen Traum vom eigenen Plattenladen. Nicht mit der Absicht, viel Geld zu verdienen. Ich werde einfach hinter der Theke sitzen und den Leuten beim Stöbern zuschauen und sie dann zurechtweisen, wenn sie nicht die richtigen Platten kaufen.« Allein für Einsichten wie diese lohnt sich dieses Buch.

 

Keine Wertung

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