AC/DC

Powerage

Atlantic
VÖ: 1978

Die erste Formvollendung

Auf Let There Be Rock hatte es sich in manchem Arrangement angedeutet: AC/DC finden Gefallen daran, ihre Stücke zu feilen und um Details für eine neue Tiefendimension zu bereichern. War der Vorgänger noch ordentlich auf Rock-Krawall gebürstet, fasziniert Powerage mit vergleichsweise durchdachtem Sound-Wohlklang. Gebügelt wirkt ihre erste Platte mit Bassist Cliff Williams deshalb nicht: Der feiernde Einstieg ›Rock’n’Roll Damnation‹ entsteht, als das Album eigentlich bereits fertig ist: Phil Carson besteht auf einer massenkompatiblen Mitklatschnummer, die AC/DC zu einem rettenden Hit gerade in den USA verhelfen soll. Zumindest im Vereinigten Königreich stapft die Single auf Platz 24 der Hitparade, die auf ersten Pressungen der LP noch fehlt. Er ist ebenso brüsk wie das Donnerwetter ›Riff Raff‹ oder ›Up To My Neck In You‹ — nur strahlen Nummern wie diese eine Gelassenheit aus, die AC/DC zu einer enormen Souveränität verhilft. Noch viel mehr in ›Gimme A Bullet‹ und ›Down Payment Blues‹, in denen der dominante Bass den Grund für kontrastreiche Rhythmusgitarren-Sounds liefert. Ungewöhnlich verwinkelt wirkt ›What’s Next To The Moon‹. Der eigentliche Meistersong aber ist ›Gone Shootin’‹: Das lässige Zusammenspiel mit der Rhythmusgruppe und die clevere Verzahnung der beiden Gitarristen ist schier sensationell. Die abschließende Eifersuchts-Nummer ›Kicked In The Teeth‹ greift den kompromisslosen Geist des Albumvorgängers auf, während der herrliche ›Cold Hearted Man‹ von den späteren CD-Editionen getilgt wurde.
Powerage ist das vorerst letzte Studiowerk, an dem George Young und Harry Vanda als Produzenten mitwirken. Als es am 5. Mai 1978 erscheint, ist auch die nächste LP bereits im Kasten: Das enorme Live-Album If You Want Blood — You’ve Got It wurde am 30. April 1978 im Glasgower Apollo Theatre mitgeschnitten.

 

(9.5/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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