Cream

Cream: 1966 – 1972

Universal
VÖ: 2014

Gesamtwerk der egogestählten Supergroup


Vor gut fünf Jahren hatte Waiting So Long das Schaffen von Cream auf farbigem Vinyl und als Bildplatten in einem Schuber zusammengefasst. Allerdings recht kurios: Disraeli Gears fehlte ganz, dafür wurde Wheels Of Fire in der Variante beigelegt, bei der die Live-Aufnahmen aus dem Filmore als eigenständige Einzel-LP ausgelagert wurden. Diese neue Box macht erheblich mehr Freude.

Nicht nur die Press- und Klangqualität ist überlegen, vor allem ist das Langspielgesamtwerk dieser ersten Supergroup der Rock-Geschichte komplett und originalgetreu enthalten. In den zwei Jahren ihrer Existenz türmte das Avantgarde-Trio um Gitarrengott Eric Clapton, Bassist Jack Bruce und Schlagzeuger Ginger Baker bis dahin ungehörte Klangriesen auf, deren Fundament zu gleichen Teilen aus Blues und buntem Psychedelic-Rock bestand — und in denen ausgedehnte Instrumentalpassagen für Überlänge sorgten: vorher ein Privileg des Jazz.

Auf Fresh Cream hatte das exzentrische Gespann 1966 noch gut damit zu tun, eine gemeinsame Stoßrichtung zu finden; es sind vor allem gewiefte Dekonstruktionen von Blues-Klassikern wie ›Spoonfull‹ (Willie Dixon) und ›Rollin’ And Tumblin’‹ (Muddy Waters), die Cream zum Antrieb nutzen. Wie bei der UK-Originalpressung ist der Schriftzug auf der Hülle in Tropfenform gehalten, passend dazu gibt’s zwei Plattenseiten mit jeweils fünf Liedern: Die Single-A-Seiten ›Wrapping Paper‹ und ›I Feel Free‹ sind demnach ebenso wenig vertreten (sie wurden erst 1967 der US-Version untergejubelt) wie der von späteren Auflagen bekannte ›Coffee Song‹. Nur der Mono-Mix wird einem vorenthalten.

Ein Jahr später greifen die egogestählten Cream nur noch zwei Mal in der Zeit zurück: den ›Outside Woman Blues‹ etwa gestaltet Clapton um zur eigenen Nummer, die Vorlage von 1929 stammt von Blind Joe Reynolds. Es sind die eigenen Kompositionen, die Disraeli Gears musikalisch genauso leuchten lassen wie das grelle Cover-Artwork. Der jazzgrundierte Instrumental-Unterbau der Streithähne Bruce und Baker wird stark psychedelisch eingefärbt, passend dazu tritt Clapton seine Blues-Licks immer wieder wirksam durch das Wah-Wah-Pedal. ›Sunshine Of Your Love‹ ziert eines der berühmtesten Gitarren-Riffs der Geschichte, ›Strange Brew‹ tanzt virtuos auf dem schmalen Grat zwischen Lässigkeit und überheblicher Arroganz. Das wundersame ›Tales Of Brave Ulysses‹? Nur ein betörender Klassiker unter vielen anderen.

Wheels Of Fire ist als Doppel-LP enthalten, auf der sich Cream als fokussierte Heavy- und Psychedelic-Bluesrocker endgültig unsterblich machten. ›White Room‹ und ›Politician‹ sind wunderbare Eigengewächse, die Interpretationen von ›Sittin’ On Top Of The World‹ (1957 von Howlin’ Wolf populär gemacht) und ›Born Under A Bad Sign‹ (bekannt durch Albert King) kaum weniger epochemachend, während die Live-Platte etwa mit einer siebzehnminütigen Darbietung von ›Spoonfull‹ das Phänomen der Cream-Konzerte dokumentiert.

Und nicht zuletzt den übergroßen Mythos dieser Gruppe, der zum Schluss die Kontrolle über alles übernahm. Der Abgesang Goodbye (1969) und die beiden posthum erschienenen Konzertmitschnitte Live Cream I und II komplettieren diese Box. Audiophiles Vinyl auf 180 Gramm, einen Download-Gutschein gibt’s dazu.

Keine Wertung
TEXT: DANIEL BÖHM

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