Die zweite Hälfte der sechziger Jahre sind politisch und gesellschaftlich aufgeheizte Zeiten. In der westlichen Welt werden die Studentenproteste immer lauter und in den USA die Bürgerrechtsbewegung infolge der Rassenunruhen. Der Vietnam-Krieg steuert seinem Höhepunkt entgegen — der Ost-West-Konflikt brodelt.
Inmitten dieses Klimas beginnt TV-Produzent Aubrey Singer mit der Ausarbeitung einer technisch ambitionierten Idee, die die Welt zusammenrücken lassen soll: Our World wird die erste weltweit im Fernsehen ausgestrahlte Event-Sendung, in der über 400 Millionen Haushalte per Live-Satellitenschaltung miterleben können, was gerade an anderen Orten der Erde vor sich geht — in einer Mischung aus Alltagsszenen und Beiträgen aus Kunst und Wissenschaft.
Zehn Monate benötigt der Produzent, um gemeinsam mit der Europäischen Rundfunkunion (EBU) neunzehn Sendeanstalten auf fünf Kontinenten für das unter der Schirmherrschaft der BBC stehende Fernsehereignis zu gewinnen.
Für das Finale engagiert die BBC die Beatles, die als Vertreter Großbritanniens mit einem eigens für Our World geschrieben Song auftreten sollen. Als sich beide Parteien am 18. Mai 1967 vertragseinig werden, hatten die Beatles Aufnahmen ihres für Anfang Juni erwarteten neuen Albums Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band längst abgeschlossen und waren — abseits der Gründung ihrer Firma Apple Music Ltd. — gerade dabei, ihr Film-Projekt Magical Mystery Tour anzustoßen.
Die Aussage der Nummer, die John Lennon nun zu schreiben beginnt, soll universell und positiv und der Refrain-Text möglichst einfach gehalten sein, um dem internationalen Publikum auch ohne Englisch-Kenntnisse das Verständnis zu erleichtern: ›All You Need Is Love‹ wird zum elementaren Bestandteil des „Summer Of Love“.
Den 14. Juni 1967 nutzen die Beatles dazu, in die Londoner Olympic Sound Studios Backing Tracks aufzunehmen: John Lennon spielt Cembalo, Paul McCartney Kontrabass, George Harrison Geige und Ringo Starr trommelt. Fünf Tage darauf setzen sie ihre Arbeit in der Abbey Road fort, fügen weitere Schlagzeugspuren, den Gesang sowie Klavier (eingespielt von Produzent George Martin) und Banjo (gerupft von John Lennon) hinzu. Am 23. und 24. Juni kommen Orchesterspuren hinzu.
Die einleitenden Bläserfanfaren der ›Marseillaise‹ sind eine Idee ihres Produzenten, im Schlussteil der effektiven Nummern tummeln sich Zitate aus ›She Loves You‹, dem englischen Volkslied ›Greensleeves‹ sowie ein eingewobener Auszug aus Glen Millers ›In The Mood‹, das die Beteiligten irrtümlicherweise für gemeinfrei hielten.
Mit fünfzehn angeschlossenen Stationen in 25 Ländern startet die zweieinhalbstündige Übertragung am 25. Juni 1967 um 21 Uhr deutscher Zeit. Den erwarteten Höhepunkt liefert tatsächlich die sechsminütigen Schalte nach London in die Abbey Road Studios, wo die Beatles aufgeregt darauf warten, der Welt das brandneue ›All You Need Is Love‹ zu präsentieren.
»Wir waren 40 Sekunden zu früh auf Sendung«, erinnerte Toningenieur Geoff Emerick. »George und ich hatten uns gerade einen Whisky eingeschenkt, als wir davon erfuhren. Wir mussten in Windeseile die Flasche und die Gläser unter dem Mischpult verschwinden lassen!«
Harrison setzte in seiner Rückschau indes andere Schwerpunkte: »Ich kann mich gut an die Übertragung erinnern, denn wir hatten viele Leute eingeladen, die irgendwie nach der „Love Generation“ aussahen. Mick Jagger und Eric Clapton waren zum Beispiel dabei. Eric kam im Psychedelic-Gewand und mit krasser Dauerwelle.«
Auch Keith Richards, The Who-Drummer Keith Moon und Marianne Faithfull sind in den Mitschnitten zu sehen.
Am 7. Juli erscheint ›All You Need Is Love‹ als Single in Großbritannien mit ›Baby, You’re A Rich Man‹ als B-Seite. Vier Wochen hält sich der Song auf Platz eins der britischen Charts.